Süddeutsche Zeitung

ADAC:Bremsmanöver

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Warum die Mitglieder­zeitschrift seltener und in reduzierter Auflage erscheinen soll.

Von Uwe Ritzer

Die Motorwelt ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Allein schon wegen ihrer Auflage, gut 13 Millionen gedruckte Exemplare, so viele wie kein anderes Magazin in Europa. Das ist etwa das Zwanzigfache dessen, was Der Spiegel (wöchentlich) verkauft. Aber auch inhaltlich ist das Heft ein Unikum. Vereinsblättchen, Testberichter und Ratgeber, Reportagemagazin zum Thema Auto, Technik, Reise, Motorsportpostille, Verkaufsplattform und - ja, manchmal auch das - ein wenig Unterhaltung. Die Motorwelt lebt zwar auch von Anzeigen, aber eben nicht nur. Sie muss sich auch nicht beim zahlenden Kunden laufend neu bewähren. ADAC-Mitglieder kriegen sie gratis zugestellt.

Die Motorwelt gehört zum Inventar des Automobilklubs. Mehr noch: zu seinem Selbstverständnis. Ein eigenes Magazin, das Größte weit und breit - das taugte als Statussymbol für einen ADAC, der sich gerne als selbsternannte "Stimme des deutschen Autofahrers" aufspielte. Deswegen ist es nun auch ein besonderer Einschnitt, dass es die Motorwelt in ihrer jetzigen Form nicht mehr lange geben wird. Präsidium und Verwaltungsrat des ADAC haben eine Empfehlung der Geschäftsführung gebilligt, wonach das Magazin ab 2020 nur noch vierteljährlich erscheinen wird und in einer deutlich niedrigeren Auflage. Die Hefte sollen nicht mehr teuer per Post verschickt, sondern über Kooperationspartner (denkbar wären Tankstellen) und Geschäftsstellen verteilt werden. Warum? Der ADAC will digital werden. Und sparen.

Schon bisher war die Motorwelt auch Luxus, denn ihre Macher wussten, dass ein Großteil der Exemplare ungelesen in Papiertonnen landen. ADAC-Mitglieder pflegen in ihrer überwältigenden Mehrheit ein pragmatisches Verhältnis zum Verein; sie sehen ihn als Dienstleister in der Not und weniger als ein ideeles Bündnis Gleichgesinnter wie andere Vereine. Ausgerechnet der ADAC-Manipulationsskandal 2014 lieferte einen Hinweis auf die geringe Durchschlagskraft der Motorwelt bei ihren Adressaten. Damals flog die Manipulation von Wahlergebnissen auf, wo angeblich Zehntausende ADAC-Mitglieder vor allem über Coupons in der Motorwelt jährlich ihre Lieblingsautos gewählt hatten. Wie sich herausstellte, waren es in Wirklichkeit nur sehr wenige Tausend. Gemessen an damals 19 Millionen ADAC-Mitgliedern eine geradezu lächerliche Rücklaufquote.

Seither hat sich einiges geändert. Der ADAC hat inzwischen 20 Millionen Mitglieder, er hat sich organisatorisch aufgespalten und er will sich wandeln. Digitaler soll die Kommunikation mit dem Mitglied werden, heißt es. Internetauftritt, soziale Medien, Serviceangebote - alles wird überarbeitet und vereinheitlicht. Die gedruckte Rest-Motorwelt soll sich auf die ADAC-Kernthemen konzentrieren: Mobilität, Motorsport, Produkttests, Tourismus, Vereinsleben.

Am neuen Konzept strickt auch Martin Kunz mit, der Chefredakteur der Motorwelt. Seine mehr als ein Dutzend Mitglieder zählende Redaktion soll ihre Stellen behalten; man brauche die Leute auch anderweitig bei der Digitalisierungsoffensive, heißt es. Ob sie aber weiterhin die Motorwelt gestalten, erscheint fraglich; dem Vernehmen nach steht ein komplettes Outsourcing des Magazins im Raum.

Ein Verlierer wäre die Post, der 15 Millionen Euro Porto-Einnahmen entgehen würden.

ADAC-intern stoßen die Pläne auf Widerstand bei Funktionären und Mitarbeitern. Letztere sind verunsichert, denn der ADAC baut gerade 274 Stellen in seiner Münchner Zentrale ab. An der Motorwelt hängende Jobs bei einer ADAC-Verlagstochter in den Bereichen Anzeigenakquise, Produktion oder Distribution werden ausgelagert. Das letzte Wort zu alledem spricht das Präsidium zum Jahreswechsel.

Stechendstes Argument der Geschäftsführer sind Zahlen. Der ADAC hat zwar ein Milliardenvermögen und der ADAC SE, der Konzern also, in dem die kommerziellen Geschäfte gebündelt sind, verdient prächtig. Doch die Mitgliedereinnahmen decken die laufenden Kosten des Vereins nicht mehr. Allein die Motorwelt kostet eine mittlere zweistellige Millionensumme, während ihre Einnahmen aus dem Anzeigenverkauf seit 2013 um fast ein Drittel auf deutlich unter 50 Millionen Euro sanken.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2018
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