Süddeutsche Zeitung

Trends in Großbritannien:Gestatten, Mister Monster Munch

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Wem in Großbritannien der Familienname nicht mehr passt, der kreiert sich einen neuen. Oder benennt sich nach seinen Lieblings-Kartoffelchips.

W. Koydl

Wenn in Deutschland jemand Leutheusser-Schnarrenberger heißt oder Müller-Westernhagen, dann weiß man nur, dass da zwei Leute geheiratet haben, die ihren Familiennamen auch nach der Eheschließung behalten wollten. Manchmal, wie bei Loriots Sketch mit Herrn Müller-Lüdenscheid sind Doppelnamen auch noch leicht komisch.

In Großbritannien hingegen haben Doppelnamen Klasse - und zwar auch im sozialen Sinn. Hinter Namen wie Bowes-Lyon, Rees-Mogg oder Anstruther-Calthorpe verbirgt sich entweder getarnter Hochadel oder zumindest sehr wohlsituierter großbürgerlicher Mittelstand.

Nun aber ist eine Mode aus den USA auf die britischen Inseln geschwappt, die den Bindestrichnamen gefährlich werden könnte: Meshing, das Verschmelzen zweier Familiennamen findet immer mehr Zulauf im Königreich.

Das vorläufig letzte Paar, das derart fusionierte, waren Richard Harland und Louise Anderson: Als Eheleute zeichnen sie künftig als Mister und Mrs. Harlanderson. "Jahrelang habe ich auf die richtige Partnerin gewartet", strahlte der Bräutigam, "und jetzt stellt sich heraus, dass wir auch noch drei Buchstaben gemeinsam haben."

In den USA schloss das erste Meshing-Paar 1975 den Bund fürs Leben. Jean Westhafer und Paul Moore verschmolzen zu Westmoore. Der bekannteste namentlich vernetzte Amerikaner ist der Bürgermeister von Los Angeles. Er hieß lange Antonio Villar, bis er seine Jugendliebe Corina Raigosa ehelichte. Seitdem kennt man ihn unter dem Namen Villaraigosa - auch wenn er mittlerweile von seiner Frau wieder geschieden ist.

50.000 Namensänderungen Überraschend am britischen Trend ist, dass er erst relativ spät begonnen hat. Denn in kaum einem anderen Land verändern mehr Menschen ihren Namen. Im jetzt zu Ende gehenden Jahr waren es nach Angaben der dafür zuständigen Behörde Deed Poll Service 50 000 - so viel wie nie zuvor innerhalb von zwölf Monaten. Eine Erklärung sah Amtssprecherin Louise Bowers auch darin, dass immer weniger Frauen bei der Eheschließung den Namen des Ehemannes annehmen.

Bislang gibt es noch weitaus mehr Kettennamen als Verschmelzungen, und anders als in Deutschland sind diese Aneinanderreihungen nicht auf zwei Bestandteile begrenzt. Ein Kandidat der konservativen Partei für die kommende Unterhauswahl etwa entstammt der angesehenen Familie Plunkett-Ernle-Erle-Drax. In Wahlbroschüren zieht er die Kurzform Richard Drax vor - er will schließlich auch von gewöhnlichen Bürgerlichen gewählt werden.

Den Rekord hielt die inzwischen ausgestorbene Familie der Herzöge von Buckingham mit fünf gekoppelten Nachnamen: Temple-Nugent-Brydges-Chandos-Grenville.

52 Pfund für einen neuen Namen In Großbritannien ist es leichter als in anderen europäischen Staaten, sich von einem ungeliebten Namen zu trennen. Ein formloser Antrag und eine bescheidene Gebühr von 52 Pfund genügen. Der Name muss nur aussprechbar sein, und er darf nicht vulgär, beleidigend oder gotteslästerlich sein oder Ziffern, Interpunktionszeichen oder Symbole enthalten. Außerdem ist die Verwendung von akademischen oder adeligen Titeln als Namensbestandteil untersagt. Duke Ellington, Count Basie oder Prince hätten also in Britannien keine Chance gehabt.

Abgesehen davon ist alles möglich: Donald Duck und Aston Martin, One-One-Eight Taxi und Jojo Magicspacemonkey wurden vom Deed Poll Service bereits ebenso genehmigt wie Mr. Motherwell Football Club und Mrs. Queens Park Rangers. Der jüngste Zugang zu dieser Reihe ist ein Klempner, der ganz banal als Chris Hunt das Licht der Welt erblickte. Nun heißt er Monster Munch, nach der Marke seiner Lieblings-Kartoffelchips.

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SZ vom 08.12.2009
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