Süddeutsche Zeitung

Thema der Woche:Vergiss es!

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Ein Forscher erklärt, wie unsere Erinnerung funktioniert und mit welchen Tricks wir das Gedächtnis auch mal überlisten können, wenn es nicht so funktioniert wie wir es gern hätten.

Interview von Silke Stuck

SZ: Mist, wieder die Eier im Laden vergessen. Wie kriege ich hin, dass das nicht mehr passiert? Herr Bäuml, Sie sind Erinnerungsforscher, haben Sie eine Antwort?

Karl-Heinz Bäuml: Man stelle sich einen Weg vor, zum Beispiel den zur Schule. An besondere Orte auf diesem Weg klebt man die Dinge, die man einkaufen muss. Im Kopf, natürlich. Die Eier auf die Bushaltestelle, die Wurst aufs Straßenschild ... Es funktioniert.

Kann ich so auch Vokabeln lernen?

Wichtig ist, an etwas anzuknüpfen, was ich kenne. Dass das lateinische "mirus" auf Deutsch "erstaunlich" heißt, merkt man sich leichter, wenn man weiß, dass das englische "miracle" auf Deutsch "Wunder" heißt. Es ist wie bei einem Spinnennetz, die Wörter bleiben daran hängen.

Wenn da aber noch nichts ist? Also alles neu?

Dann kann ich ein bisschen nachhelfen. Dinge, die mir extrem wichtig sind, merke ich mir besser. Auch was an Erlebnisse, Düfte oder Farben gekoppelt ist, funktioniert besser.

Manches merkt man sich ein Leben lang, aber was in den ersten drei Jahren passiert, wissen wir oft nicht. Warum?

Davor ist das Gehirn einfach noch nicht so weit, Erlebtes passend abzuspeichern. Erst ab einem Alter von drei bildet sich das heraus, was wir Gedächtnis nennen. Mit zwölf Jahren ist es allmählich ausgewachsen, und man merkt sich Dinge fast wie ein Erwachsener.

Können Fotos eine Krücke sein?

Wenn Menschen im Museum die Bilder fotografieren, statt sie sich einzuprägen, bleibt das Gedächtnis ungenutzt. Andererseits: Natürlich ist es schön, sich Fotos anzusehen, etwa von einem Urlaub, der schon viele Jahre zurückliegt. Die Bilder können wie ein Schlüssel sein. Ein Raum wird aufgeschlossen, und die Erinnerungen können wieder herauskommen.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2018
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