Süddeutsche Zeitung

Stilkritik: Veronica Ferres:Nur kurz ein Superweib

Lesezeit: 2 min

Auch wenn es nur eine Perücke ist: Mit ihrer roten Kurzhaarfrisur erfindet sich Veronica Ferres neu - und wird damit wieder zu der Frau, die sie einmal verkörpert hat.

Violetta Simon

Gute Ideen passieren im Kopf. Diese hier fand auf dem Kopf von Veronica Ferres statt: Die Schauspielerin erschien auf dem Münchner Filmfest mit roter Kurzhaarfrisur - leider nur eine Perücke. Und wir hatten uns schon so gefreut.

Wäre ja wirklich an der Zeit gewesen. Einmal im Leben, mindestens einmal, tut es schließlich jede Frau: Sie trennt sich - von ihrem Heimatdorf, dem ungeliebten Job, dem treulosen Mann. Um einer solchen grundlegenden Veränderung den nötigen Nachdruck zu verleihen, folgt nicht selten eine weitere Trennung: Weg mit den Locken!

Die Kurzhaarfrisur einer vormals langhaarigen Frau steht immer auch für Neubeginn: Seht her, ich habe mich von sämtlichen Altlasten befreit und fange von vorne an.

Natürlich freuen sich alle, wenn es Veronica Ferres gutgeht. Doch hin und wieder ertappt man sich dabei, dass man ihr geradezu eine Trennung welcher Art auch immer wünscht, nur, damit sie endlich was mit ihren Haaren macht!

Doch weder das Ende der Ehe mit Martin Krug 2008 noch die neue Beziehung mit dem Unternehmer Carsten Maschmeyer 2009 oder die Scheidung von Krug im Jahr darauf krümmten ihrer blonden Mähne auch nur ein Haar. Zwar trennte sich Ferres gegen Ende ihrer Ehe von einigen Kilos - die Haare aber blieben.

In den Schlingen verfangen

Dabei kann eine Frau mit dem Abschneiden ihrer Haare eine Menge bewegen: Erst ihre raspelkurze Frisur verlieh der unscheinbaren Emma Watson (Hermine Granger in Harry Potter) ein Gesicht mit Reife. Und Ina Müller - inhaltlich schon immer ein Original - verspricht mit ihrer Pudelkrause endlich, was sie in Inas Nacht stets hält. Dass Twiggy zum Gesicht der sechziger Jahre wurde, hat sie ihrem Bubikopf zu verdanken. Und auch Linda Evangelista schaffte Anfang der neunziger Jahre den Durchbruch auf dem Laufsteg erst, als sie ihre Locken opferte. Wie viele andere Frauen vor und nach ihnen haben sie sich aus den haarigen Schlingen befreit.

Einerseits symbolisieren lange Haare Weiblichkeit - deshalb fällt es vielen Frauen so schwer, sie abzuschneiden. Oft sind sie aber auch Ausdruck von Verzagtheit - irgendwann beult sich das Haar nur noch als Dutt oder in sonstigen Gebilden am Hinterkopf, weil ihre Trägerin nicht so recht weiß, wohin damit.

Der Stylist von Frau Ferres wusste es offenbar: Für ihre neue Rolle als Polizeiseelsorgerin Lena Fauch in einem ZDF-Krimi steckte er ihre blonden Haare unter eine rote Kurzhaarperücke. Sie macht deutlich, dass ihre echte Frisur nicht geeignet ist, um eine moderne Frau zu verkörpern und dass es höchste Zeit für eine solche Veränderung war: Die "Frau vom Checkpoint Charlie" droht, in der Rolle der ewigen TV-Mutter ( Das Wunder von Berlin, Die Patin, Mein eigen Fleisch und Blut, Marco) zu erstarren.

Ferres hat also ihre blonden Haare nicht einfach nur unter einer Perücke verborgen. Sie befreit sich von einem Bild, das mittlerweile zu viele von ihr haben. Leider nur vorübergehend: Die Perücke beweist, dass Veronica Ferres sich zu einem echten Cut nicht durchringen konnte.

Eine Bitte an Frau Ferres: Nutzen Sie die Chance und schaffen Sie Tatsachen. Weg mit den Haaren, Bahn frei für das echte "Superweib"! Sonst müssen wir immer, wenn wir die blonden Haare sehen, an die roten denken. Und wie verdammt gut das ausgesehen hat und wie überaus weiblich. Alles - nur nicht muttihaft.

Wenn es unbedingt noch einmal eine Mutterrolle sein muss - auch dafür gibt es Perücken. Langhaarige.

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