Süddeutsche Zeitung

Schmachtwort der Woche: Robert Pattinson:"In einer Beziehung bin ich wie ein Mädchen"

Lesezeit: 3 min

Früher waren Männer noch wahre Helden. Heute suchen sie eine Schulter, an der sie sich ausweinen können. Und während sich der moderne Mann in seine Komfortzone kuschelt, krempeln die Damen die Ärmel hoch und ziehen in die Schlacht. Aber wir wollten es ja nicht anders.

von Violetta Simon

Es gab eine Zeit, da fuhren Männer nicht mit dem Fahrrad ins Büro, sondern zogen hoch zu Ross in die Schlacht, wo sie sich von Angesicht zu Angesicht dem Feind stellten. Der Sand war getränkt von ihrem Blut, die Helme rollten mitsamt den Köpfen aufs Feld, Gliedmaßen flogen durch die Luft, eine riesige Sauerei war das. Die Morgentoilette bestand aus einem kräftigen Schluck Rum, zum Frühstück verspeiste man eine Schweinehälfte. Flirt-Portale, Dating-Coaches oder Weddingplaner hatten keine Zielgruppe: Man hielt Ausschau nach einer geeigneten Frau, warf sie sich über die Schulter und schleppte sie nach Hause. Von da an war das Weib ein Eheweib.

Heute frühstückt Papa ein Sojabrötchen, trinkt dazu laktosefreien Latte macchiato und macht die Kinder für die Schule fertig. Dann bringt er seiner Frau einen Cappuccino ans Bett, reinigt noch schnell seine Zahnzwischenräume, gurgelt mit einer antibakteriellen Spülung und begibt sich auf den Weg ins Büro, von dem er manchmal behauptet, es gehe dort zu wie auf dem Schlachtfeld. Dabei kann es sich nur um einen Scherz handeln. Schließlich sitzt sein Kopf noch auf dem Hals, wenn er abends nach Hause kommt. Und auch sein Anzug sieht picobello aus: Kein Riss, nicht ein einziger Blutspritzer.

Die Zeit der Draufgänger ist also endgültig vorbei. Und was haben wir dafür bekommen? Den modernen Mann. Jaja, schon gut! Wir wollten es ja nicht anders.

Immer mehr Männer scheinen sich in dieser Rolle durchaus wohlzufühlen. Auch Schauspieler Robert Pattinson steht zu seinem sensiblen Naturell: "Ich weine sehr leicht, und ich weine viel", sagte der Brite dem Magazin Joy. "In einer Beziehung bin ich eigentlich wie ein Mädchen." Hoffentlich hat das zweite Mädchen in dieser Beziehung dann wenigstens eine starke Schulter und auch immer genügend Taschentücher bei sich. Nicht mehr lange, dann sind wir es, die sich auf dem Schlachtfeld des Alltags herumprügeln und sich anschließend die Jungs über die Schulter werfen.

Wenn man wissen will, wie es um das moderne Heldentum bestellt ist, muss man nur ins Kino gehen. Frauen waren stets elektrisiert von der herrisch-düsteren Aura eines Grafen Dracula und stellten sich heimlich vor, wie der Fürst der Finsternis sie mit einer kühlen Umarmung ins Reich der Ewigkeit befördern würde. Heute stolpert ein ethisch korrekter Vegetarier in einer nicht enden wollenden Vampir-Saga über die Leinwand. Trifft ihn das Sonnenlicht, zerfällt er nicht zu Staub, sondern glitzert wie tausend Juwelen - sieht doch gleich hübscher aus. Statt tagsüber standesgemäß im Sarg zu ruhen, besucht das Milchgesicht vormittags die Highschool und säuselt nachmittags seiner Freundin Nettigkeiten ins Ohr. Dabei versucht er tapfer, die so verlockend pulsierende Schlagader an ihrem Hals zu ignorieren. Nachts, gebeutelt von seinem Gewissen, beißt er nur kleine Tiere, bei denen er sich zuvor entschuldigt.

Auch die archaischen Kämpfer sind nur noch ein Schatten ihrer selbst: Früher konnten sich die Herren von der Todesverachtung eines Ben Hur eine Scheibe abschneiden. Heute sind die tapferen Gladiatoren zu Clowns in albernen Kostümen verkommen. Man nennt sie jetzt Wrestler. Würden die elastischen Ringseile sie nicht nach jedem Schlag zwangsläufig auf ihren Gegner zurückkatapultuieren, sie würden beim ersten Schubser das Weite suchen.

Das ist aber noch nichts im Vergleich zu dem Elend, das die Geheimagenten ereilt hat: Daniel Craig begnügt sich mit einer einzigen, angedeuteten Liebesszene (ganz sauber in der Dusche), die anschließend auch noch neutralisiert wird durch ein homoerotisches Intermezzo mit Javier Bardem. Und als wäre das nicht genug, fällt er auch noch durch den Eignungstest. Roger Moore oder Sean Connery hätten sich nie mit einem einzigen Bond-Girl pro Film zufriedengegeben. Zu diesem entwürdigenden Test wären sie gar nicht erst angetreten. Undenkbar auch, dass ein blond gefärbter Geisteskranker ihnen Anzüglichkeiten ins Gesicht flüstert, während er mit der Kuppe seines Zeigefingers genüsslich Kreise auf der perfekt enthaarten Brust von 007 zieht. Schon allein deshalb, weil er sich dabei heillos in dessen üppiger Brustbehaarung verheddert hätte.

Und während sich die einstigen Helden in ihre Komfortzone kuscheln, krempeln die Damen die Ärmel ihrer glänzenden Latexanzüge hoch und entsichern schon mal die Neun-Millimeter-Browning. Kate Beckinsale jagt als Vampirkriegerin ein Rudel Werwölfe, Angelina Jolie ballert sich mal als Auftragsmörderin, mal als Grabjägerin durch den Tag. Milla Jovovich geht mit Buschmesser und Bazooka auf Zombies los, Uma Thurman arbeitet als Racheengel eine von ihr persönlich zusammengestellte Todesliste ab.

Soll doch Robert Pattinson das Mädchen spielen - unterdessen zieht seine Freundin Kristen Stewart als kriegerische Snow White in silbrig glänzender Ritterrüstung gegen die böse Königin in die Schlacht. Wenn sie dann, stolz und zerschunden, als Herrscherin ihres Reiches zurückkehrt, galoppiert sie geradewegs zu Robert, wirft ihn sich über die Schulter und entführt ihn auf ihr Schloss. Den ganzen Weg über hofft sie, er möge endlich mit der Heulerei aufhören - der Rüstung zuliebe.

Tja, so ändern sich die Zeiten. So, wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden. Ich muss dann mal los - Bärenjagd und Gladiatoren-Training.

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