Süddeutsche Zeitung

Schlammschlacht:Sarah Barracuda und der Playgirl-Junge

Lesezeit: 3 min

Sarah Palin, Ex-Gouverneurin von Alaska, geht auf PR-Tour. Ihr Beinahe-Schwiegersohn könnte ihr mit seinen Enthüllungen in die Parade fahren.

Jörg Häntzschel

Nächste Woche erwartet das amerikanische Fernsehpublikum eine unterhaltsame Schlammschlacht. Die Protagonistin heißt Sarah Palin. Die ehemalige Gouverneurin von Alaska und grandios untergegangene Kandidatin für den Posten der Vizepräsidentin wird durch die Talkshows tingeln, um Reklame für ihr am Dienstag erscheinendes Buch "Going Rogue" zu machen.

Der Gegenspieler ist Levi Johnston, ihr Beinahe-Schwiegersohn. Ebenfalls am Dienstag wird seine erotische - aber "geschmackvolle" - Fotostrecke im Magazin Playgirl erscheinen. Ein schöner Anlass, auch ihn vor die Kameras zu bitten. Der 19-Jährige, der beim Parteikonvent der Republikaner noch wie erwünscht lächelte und die Klappe hielt, bedient das Publikum seit seiner Trennung von Palins Tochter Bristol mit immer neuen kompromittierenden Details aus dem Hause Palin. Was er bisher gesagt habe, so raunt er, sei aber nur "Kleinkram". Die ganz großen Hämmer halte er zurück.

Die Premiere von Palins PR-Tournee wird ausgerechnet bei Oprah Winfrey stattfinden, einer erklärten Unterstützerin von Barack Obama. Von dort geht es im Marathon erst durch die Sender, dann durch die Stadthallen. Dabei hat Palins Buch Reklame kaum nötig. Schon seit Wochen steht der mit einer Startauflage von 1,5 Millionen Exemplaren gedruckte Band bei Amazon auf Platz eins. Am irrwitzigen Preis von nur neun Dollar (der Listenpreis beträgt 29 Dollar) kann es allein nicht liegen.

"Going Rogue", auf deutsch: "Tun was mir passt", spielt auf Palins Extratouren im Wahlkampf an. Mit dem Untertitel "An American Life" wiederum, den sie Ronald Reagans 1990 erschienener Autobiographie entliehen hat, maßt sie sich politische Verwandtschaft mit dem Helden der Rechten an. Die Herausgeber des traditionsreichen linken Politmagazins The Nation werden am Erscheinungstag von "Going Rogue" ihr eigenes Palin-Buch herausbringen, eine Sammlung vernichtender Essays, deren Cover bis auf die düstereren Wolken im Hintergrund fast identisch ist mit dem Umschlag von Palins Werk. Der Titel: "Going Rouge: An American Nightmare".

Dumm, faul und nicht mal Jägerin!

Doch weniger ihre politischen Kritiker, sondern die Enthüllungen von Levi Johnston könnten Palin in die Parade fahren. In einem Artikel in Vanity Fair und in Interviews mit dem Guardian und mit CBS zeichnete er freimütig ein schockierendes Bild der "wahren" Sarah "Barracuda": Ihre Ehe sei eine Farce, ihre Tochter Bristol kümmere sich um die jüngeren Geschwister, weil die Mutter zu faul dazu sei. Sie lese nie Zeitung und dem Bohei um ihre Religiosität zum Trotz gehe sie fast nie in die Kirche. Auch ihr Image als Outdoor-Heldin und Jägerin sei reine Erfindung: "Sie besitzt ein Gewehr, es liegt in seiner Schachtel unter ihrem Bett. Sie fragte mich, wie man es bedient."

Süffisant beschreibt er, wie Palin sich nicht mehr einkriegte, als sie umschwirrt von Makeup-Teams und Stylisten in Luxushotels verwöhnt wurde und teure Kleider tragen durfte. Selbst ihre Familie habe über ihre Auftritte den Kopf geschüttelt. Und wenn sie nach Hause kam und man ihr "ihr kleines Down-Kind" reichte, habe sie gesagt: "Nein, ich will nicht das behinderte Baby, ich will das andere" - Tripp nämlich, den Sohn von Bristol Palin und Johnston. Am irrsten sei jedoch Palins Idee gewesen, das Kind ihrer damals 17-jährigen Tochter zu adoptieren, um die Schwangerschaft der Minderjährigen zu vertuschen.

Lügner, White Trash, mieser Vater!

Johnston rechtfertigt seine Fernsehauftritte mit seinem Ärger über dieses groteske Ansinnen Palins. Und mit der ihm aufgezwungenen Rolle als Statist auf ihrer Bühne: "Sie hat mich benutzt und dann weggeschmissen", murmelt er. Palin liefert ihm ihrerseits mit prompten Reaktionen - "Lügner", "White Trash", "mieser Vater" - immer neue Vorlagen. Doch ob das alles reicht für die Karriere als Celebrity, Model oder gar Filmstar, die Johnston anpeilt, ist fraglich.

Er hat immer spannende Geschichten vom Leben im Norden zu erzählen, das ist wahr: Von den Schwarzbären, die er mit Freunden erlegt und gehäutet, wenn auch nicht gegessen habe. Von den Elchen, denen er in der Woche davor nachstellte. Von Alaskas intelligenten Schafen, die einen Jäger leicht in den Tod treiben können. Und von seiner Mutter, der es prima geht, obwohl sie im Knast sitzt, weil sie im Internet Schmerzmittel vertickt hat.

Doch sein Debüt als Armani-Model in der erwähnten Vanity Fair-Nummer war eher peinlich. Und mit dem Werbespot für "Wonderful Pistachios" ist er noch nicht ganz in Hollywood angekommen. Doch anders als Sarah Palin, die offensichtlich noch Großes vorhat, ist Johnston entspannt: "Wenn es nicht klappt, werde ich eben Elektriker, wie alle in meiner Familie. Das ist auch okay."

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Quelle:
SZ vom 13.11.2009/bre
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