Süddeutsche Zeitung

Porträt:Den kennen wir doch

Lesezeit: 6 min

Dieses Kinn, diese Augen! Der Schauspieler Scott Eastwood sieht seinem Vater zum Verwechseln ähnlich. Eine Last? Im Gegenteil.

Von Tanja Rest

Man läuft also rein in die Suite des Bayerischen Hofs, wo auf einem Sofa dieser junge Typ in Freizeitklamotten sitzt, einen mit schiefem Grinsen anschaut und das Gespräch mit der Frage eröffnet: "Und . . . Haben Sie geweint?"

Er meint natürlich den Film. Er als Bullenreiter vom Land, der sich ausgerechnet in eine Kunststudentin verliebt, mit Stetson und einem Sträußchen Selbstgepflückter zum Date antritt, ihr den Mustang sattelt und sie entführt in golddurchwirkte Landschaften; definitiv Romantik-Alarm. Aber dummerweise hat die Angebetete schon einen Job in New York in Aussicht und er eine Ranch zu versorgen, weshalb die Grundsatzfrage, die hier zwei Stunden lang mit Schicksalsgebimmel verhandelt wird, lautet: In deine Welt oder in meine? Und natürlich hat man nicht geweint, dafür ist das Ganze zu albern, dafür ist man wohl auch einfach ein paar Jahre zu alt. Unbestreitbar aber, dass später auf dem Band erst seine Frage ("So. . . did you cry?"), dann ein stammelndes "Ähm" und dann Stille zu hören ist.

Das war der Moment, als man wie ein kompletter Vollidiot dagesessen und ihn einfach nur angegafft hat.

Um es mit seiner Agentin zu sagen: "Diese Ähnlichkeit ist fast schon gruselig."

Zugegeben, er ist ein ganzes Stück kleiner. Nicht ganz so kantig, weniger hager. Aber sonst. Das gleiche kräftige Kinn, die gleichen schmal geschnittenen, eisgrauen Augen, dazu der Dreitagebart, die vollen Sträubehaare, die beiden steilen Falten zwischen den Brauen. Scott Eastwood sieht aus wie Clint mit Ende zwanzig, und, um es mit seiner Agentin zu sagen, "diese Ähnlichkeit ist fast schon gruselig".

"Kein Ort ohne dich", eine Nicholas-Sparks-Verfilmung (Start am Donnerstag), ist Juniors erste Hauptrolle in einem großen Publikumsfilm. In den USA weiß man ein bisschen was über ihn, in Deutschland aber kennt diesen Scott kein Mensch, weshalb sie beim Verleih auch nicht mit großem Interesse an Interviews gerechnet haben. Aber der Name Eastwood zieht. Einen Tag lang muss er hier jetzt also sitzen und die immer gleichen Fragen nach seinem Vater beantworten, ist das nicht mühsam, auch: verletzend? Er schaut professionell nett. "Das gehört nun mal dazu, und mein Dad ist ja auch ein großartiger Mann. Ich bin da entspannt." Er sagt: "relaaaxed".

Und hier die Fakten. Bei einem Transatlantikflug lernte Clint Eastwood 1985 die First-Class-Stewardess Jacelyn Reeves kennen. Er war zu diesem Zeitpunkt noch mit Sondra Locke verheiratet, aber das mit der Ehe (sieben Kinder von fünf Frauen) nahm Eastwood dann ja nie so ganz genau. 1986 wurde Scott geboren, zwei Jahre später seine Schwester Kathryn. Als die nächste Frau in der Eastwood-Villa in Carmel eintraf, nahm Reeves ihre zwei Kinder und zog mit ihnen nach Hawaii. Zum Vater gab es losen Kontakt, "mal war er präsent, mal nicht, er hat immer irre viel gearbeitet". Die Schulferien verbrachte Scott an wechselnden Filmsets, er lernte Meryl Streep kennen ("Die Brücken am Fluss"), hing mit Sean Penn und Kevin Bacon ab ("Mystic River"). Wenn daheim irgendein Sender spätnachts die alten Spaghettiwestern zeigte, saß er vor dem Fernseher.

Das Verwöhnprogramm für reiche Hollywood-Kids fiel aus. "Ich weiß noch, dass ich mal vom College anrief: ,Dad, ich möchte mir ein Auto kaufen, kann ich 10 000 Dollar von dir borgen?' Und er sagte: ,Absolut nicht' und legte auf." Das Geld fürs College musste er sich selbst verdienen, als Parkwächter, mit Kellnerjobs, auf dem Bau. "Sie müssen wissen: Dad ist wahnsinnig old school. Ihm war auch egal, ob ich später Schauspieler werde oder Klempner. Er sagte nur: ,Sei freundlich, bleib bescheiden, und tue das, was du tust, gut.'"

Ungefähr das ist der Moment, in dem man als Interviewerin kapiert: Das eigene Herumgeeiere um den ikonischen, alles überstrahlenden Vater, der höflich gemeinte Versuch, sich eine halbe Stunde lang für Scott jenseits von Clint zu interessieren - hätte man sich schenken können. Der junge Eastwood ist der wahrscheinlich größte Fan des alten Eastwood, ohne den Namen Eastwood säße man nicht hier, beide Seiten wissen das. Und es ist okay.

Scott Reeves, wie er eigentlich heißt, hat es zunächst ohne diesen Namen versucht. Hat die Ochsentour gemacht, ist zum Vorsprechen und auf die wichtigen Partys gegangen, Ergebnis: null. Seinen ersten Auftritt hatte er 2006 im Kriegsfilm "Flags of Our Fathers". Er sprach bei seinem Vater für die Hauptrolle vor und bekam einen Part, in dem er zwei Sätze hatte. Er erzählt diese Episode gern, sie ist sein Beleg dafür, dass Hollywood ihn nicht bevorzugt, dass dir in dieser Branche keiner eine Rolle gibt, weil du heißt wie dein Dad und aussiehst wie er. Schon gar nicht dein Dad.

Tatsache ist aber auch: Während andere Kinder berühmter Väter vor ihrem großen Namen lebenslang davonlaufen, hat ihn der 29-Jährige beherzt umarmt. Aus Scott Reeves wurde 2009 Scott Eastwood. Die Frage nach den Gründen für den Namenswechsel führt dazu, dass sich die schnodderige Nettigkeit, sein irres Relaaaxed-Sein für einen Augenblick aus seinem Gesicht verabschiedet. Er lehnt sich im Sofa zurück, umfasst beide Armlehnen, schaut einen so an. Er mag die Frage nicht. Er sagt: "Pffffh. Was bedeutet schon ein Name?" Scott Eastwood hat inzwischen in vier Eastwood-Filmen mitgespielt, immer kleine Rollen. Wenn sein Dad auf einem Magazin-Titel landet, postet er das bei Instagram. Oder ein Selfie: wie er vor einem Dirty-Harry-Plakat den Dirty Harry gibt. Sein Profilbild bei Facebook zeigt ihn mit offenem Hemd, verkniffenen Augen und Zigarre, er sieht seinem Vater auf diesem Foto schon ähnlicher als der sich selbst.

Mit 29 Jahren hat der junge Eastwood seine Rolle gefunden: Posterboy mit 1A-Sixpack

Das Bild stammt aus einer Modestrecke für das sonst wenig glamouröse Magazin Town & Country und hat die Karriere des jungen Eastwood weitaus mehr befeuert als jede Filmrolle. Im Netz drehten die Frauen praktisch durch, OMG Clint YOUNG again!, und dann noch die Oben-ohne-Fotos: ganz große Muckibude, tadelloses Sixpack, how sexy is THAT??! Als Posterboy funktioniert er prächtig. Das französische Modemagazin L'Officiel hob ihn auf den Titel, Boss fotografierte mit ihm die Herbst-Winter-Kampagne, und im Sommer wird er als neuer Davidoff-Mann durchs Meer pflügen, für den Klassiker "Cool Water". "Ich möchte ein echter Kerl sein und kein glitzernder Popstar", hat er damals zu Town & Country gesagt.

Und da sind wir schon wieder beim Vater, der ihm - nicht wirklich überraschend - diesen Auftrag eingepflanzt hat: "Go and be a man." Geh und sei ein Mann. Und das tut Scott Eastwood, aber auf Biegen und Brechen. Auf Hawaii bei Mom hat er das Surfen und das Tauchen gelernt, in Kalifornien bei Dad das Jagen und Angeln. In sicherer Entfernung zu Hollywood lebt er heute in San Diego diesen lässigen Jungs-Lifestyle, Riesenclique von Kumpels, eigene Bar in der Innenstadt, ab und zu ein hübsches Mädel, aber nichts Festes, oh no Baby, noch lange nicht. Er surft, taucht, jagt, angelt, reitet, fliegt Helikopter und dokumentiert das alles auf Instagram. Sprich: Scott mit Fisch an der Angel. Scott im Cockpit eines Sportfliegers. Scott in einer Monsterwelle. Scott mit nacktem Waschbrett, Jeans und extrabreitem Ledergürtel beim - Joggen. Hä? Das Foto hat in Interviews wahlweise lüsterne (Frauenmagazin) oder spöttische (Männerheft) Fragen nach sich gezogen, die Antwortet aber lautet jedenfalls: "Ich hatte an dem Tag meine Sportklamotten nicht dabei."

Nun ja, denkt man sich. Und dass es im Leben als Frau neben Falten und der Menopause womöglich noch zwei weitere Indikatoren gibt, die auf gnadenloses Älterwerden hindeuten. Erstens, du heulst nicht mehr bei Nicholas-Sparks-Verfilmungen. Zweitens, du findest Jungs, die völlig übertrieben auf Kerl machen, nicht mehr albern, sondern irgendwie rührend.

"Als Schauspieler liegen mir definitiv körperbetonte Rollen", sagt er. "Einfach nur dastehen und nichts tun finde ich schwierig." Insofern ist die Rolle des jungen Bullenreiters mit den Gentleman-Manieren gar nicht verkehrt, denn er kann ganz viel tun: Bullen reiten, Blümchen pflücken, unter der Krempe des Stetson finster hervorlugen, den Oberkörper freilegen, seine 1,75 Meter vor der Kamera zum Hünenformat aufblasen, ein Mann sein also. Und er macht das gut. Ist am Ende auch egal, dass er Nicholas Sparks immer doof fand (Pussy-Stoff) und sich niemals einen Cowboyhut aufsetzen wollte (Dads Vorrecht).

Letzte, unvermeidliche Frage: "Haben Sie jemals einen Bullen geritten?" Letzte, unvermeidliche Antwort: "Ich war höllenscharf darauf." Aber das Studio ließ ihn nicht, aus Versicherungsgründen. Scott aber wäre nicht der Sohn von Clint, hätte er nach Drehschluss nicht seine Kumpels eingeladen und einen Bullen namens Number Seven bestiegen. Bei Youtube kann man zuschauen, wie Number Seven im Rodeo-Ring herumspringt, Scott nach zwei Sekunden runterfliegt und um ein Haar noch einen Tritt ins Gesicht bekommt.

Dad war sicher mächtig stolz.

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SZ vom 25.04.2015
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