Süddeutsche Zeitung

Dating-Serie (2): Freundschaft:Gesucht, aber nicht gefunden

Lesezeit: 3 min

Wer als verheirateter Mensch eine Anzeige aufgibt, um einen Freund zu finden, der wird verlacht, verbessert und in die Rubrik "Verschiedenes" geschoben. Ein Erfahrungsbericht.

Fin Bell

Die Nachricht der Frau aus der Anzeigenabteilung ist freundlich, aber sehr deutlich. Sie bezeichnet mich als sehr geehrten Herrn und beendet die Mail auch mit freundlichen Grüßen, dazwischen jedoch steht: "In dieser Form veröffentlichen wir die Anzeige nicht, daher habe ich den Auftrag vorerst storniert." Immerhin steht sie mir für Rückfragen zur Verfügung - und das werde ich nutzen.

Ich will eine Anzeige schalten, weil mir eine Kollegin erzählt hat, dass ich damit zur Avantgarde der sozialen Kontaktaufnahme gehören würde. Wer in sein will, der lernt potentielle Freunde und Ehepartner nicht mehr in der Kneipe oder auf der Straße kennen, sondern lässt sie sich von einer filigran programmierten Maschine zuteilen. Früher wurden Hochzeiten von den Eltern arrangiert, heute lassen wir das von einem Computer erledigen.

"Wir finden den Freund, der zu ihnen passt", heißt es auf einer Internetseite. Das finde ich prima. Ich will keinen Partner fürs Leben finden, weil ich den schon habe. Ich will auch kein sexuelles Abenteuer, weil ich dann wahrscheinlich meinen Partner fürs Leben verlieren würde. Ich will: einen Freund oder eine Freundin in der Nähe. Da die Menschen, die ich als beste Freunde bezeichne, mittlerweile 260, 450 und 11.000 Kilometer entfernt wohnen, brauche ich also eine Anzeige.

Ich versuche es zunächst ganz klassisch über eine Anzeige in einer Tageszeitung. Ich will ehrlich sein, aber auch vage genug, um eine Auswahl an Zuschriften zu bekommen, aus denen ich auswählen kann. Der Text soll also lauten: "Verheirateter kreativer Mann sucht Seelenverwandte(n)." Ich schalte die Anzeige über das Internet - und bekomme den freundlichen Hinweis, dass so etwas nicht geht.

"Wenn Sie den Text ändern, dann können wir das aufnehmen", sagt die Frau, die am Telefon noch freundlicher klingt als in der Mail. Ich könne doch einfach "noch verheirateter Mann" schreiben, dann wäre das zulässig. Meinen Hinweis, dass ich doch gar nicht gedenke, fremdzugehen, sondern dass ich nur einen Freund suchen würde, akzeptiert sie nicht und schlägt mir vor, die Anzeige nicht in der Rubrik "Bekanntschaften", sondern unter "Verschiedenes" zu schalten. Aha. Na gut.

Die Anzeige kostet ungefähr so viel wie neun Schachteln Zigaretten und erscheint in der Samstagsausgabe.

Antworten nach einer Woche: null.

Ich muss also doch zu den Freundschafts-Arrangeuren ins Internet. Natürlich könnte ich jemanden dafür bezahlen, dass er mein Freund wird. Auf der Seite rentafriend.com kann der geneigte User für etwa zehn Dollar pro Stunde jemanden finden, der mit ihm ins Restaurant geht, einem die Stadt zeigt oder mit einem Tennis spielt. Man mag mich altmodisch nennen, aber unter dem Begriff "Freundschaft" stelle ich mir doch etwas anderes vor, als jemandem Geld zu geben, damit der so tut, als würde er mich mögen.

"Muenchnersingles.de ist die beste Seite im Netz", sagt eine Kollegin geheimnisvoll - und ich werde stutzig, weil ich doch kein Single bin, sondern einfach nur einen Freund suche. Muss man denn heutzutage unbedingt ungebunden sein, um eine Chance zu haben auf dem Freundesmarkt? Noch ein Hinweis der Kollegin: "Ohne Foto hast Du kaum eine Chance!"

Ich will zwar nur jemanden kennenlernen, mit dem ich am Mittwochabend in einer Kneipe Fußball gucken und mich unterhalten kann - aber dazu muss ich also ein Bild von mir ins Internet stellen. Das finde ich ebenso absurd wie jene Menschen, die gegen Google Street View protestieren - und ihrem Protest dadurch Ausdruck verleihen, dass sie sich mit ihren Nachbarn vor ihrem Haus fotografieren lassen und zulassen, dass dieses Foto in einer Boulevardzeitung abgedruckt wird. Aber gut, ich mache mit. Ich nenne mein Gewicht, meine Hobbys, meinen Schulabschluss - und ich vermerke, dass ich nach "Sportaktivitäten" und "Freizeitaktivitäten" suche, nicht aber nach Beziehung oder Abenteuer. Dann warte ich, ob mir jemand schreibt.

Die Anmeldung ist kostenlos, das Warten auch.

Zuschriften nach einer Woche: null.

Erstes Zwischenfazit: Eine ehrliche Kontaktanzeige in einer Zeitung war so wirksam wie ein DIN-A-4-Werbeplakat auf dem Times Square - und im Internet ist man offensichtlich nur als "aktiver Premiumkunde" erfolgreich. Aber immerhin hat mich auf der Plattform keiner darauf hingewiesen, dass meine Anzeige so nicht geht. Mal sehen, was passiert, wenn ich aktiv werde.

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