Süddeutsche Zeitung

Kinder - der ganz normale Wahnsinn:Jetzt rede ich!

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Es gab eine Zeit, da bestanden Gespräche aus Begrüßung, Mittelteil und Abschied, im Idealfall hatten sie eine Pointe. Doch das ist nun vorbei: Wir sind Eltern.

Katja Schnitzler

Es ist nicht leicht, mit Ihnen, liebe Leser, ins Gespräch zu kommen. Damit Sie das nicht falsch verstehen, dies liegt nicht an Ihnen! An mir eigentlich auch nicht, denn unkommunikativ bin ich nicht. Jedenfalls war ich bis vor wenigen Jahren durchaus in der Lage, eine normale Unterhaltung zu führen. Mit Begrüßung, Mittelteil, Abschied, im Idealfall noch mit einer Pointe. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt bin ich Mutter.

Das ist schön, meistens jedenfalls, erschwert aber die Unterhaltung mit anderen Erwachsenen ...

"Sei bitte mal ruhig, ich unterhalte mich. Und hör auf, an meinem Ärmel zu zerren!"

Entschuldigen Sie bitte die kurze Unterbrechung, meine Große brauchte Sandspielzeug, und zwar sofort. Für alle Kinderlosen, "sofort" bedeutet nicht innerhalb der nächsten zehn Sekunden. Es verlangt, dass Sie sich zur Sandschaufel beamen und sich damit neben dem Kind wieder materialisieren. Sonst wird weitergenörgelt, bis Sie den Gesprächsfaden und die Nerven verlieren. Aber wo waren wir?

Es ist erstaunlich, was Kinder plötzlich alles brauchen, sobald Erwachsene die ersten Worte wechseln. Schon Babys haben einen sechsten Sinn dafür. Für sie ist ein Telefonat ein unerträglicher Zustand der Nichtbeachtung. Die Begrüßung warten sie noch ab. Dann schreien sie, die Babys laut, die Eltern innerlich, und ...

"Wie bitte? Kannst du es nicht noch aushalten, bis ich hier fertig bin?"

... Verzeihung, da bin ich wieder, der Kleine schafft es noch nicht allein auf die Toilette, Sie verstehen, es war dringend. Aber zurück zum Thema, was wollte ich sagen ...

"Nein, ich baue deinen Kran jetzt nicht wieder auf! Du siehst doch, dass ich mich unterhalte! Kann ich nicht mal EINEN Moment meine Ruhe haben? Dich darf ich auch nicht stören, wenn bei 'Feuerwehrmann Sam' das abertausendste Feuer ausbricht! Und außerdem ..."

Oh, das Kind ist schon weg.

Entschuldigen Sie bitte diesen Ausbruch, aber wenn man nie seine eigenen Gedanken zu Ende denken kann, dann ...

"WAS IST DENN JETZT SCHON WIEDER, HABE ICH NICHT GESAGT, IHR SOLLT MICH NICHT... Wie, beim Aufbauen des Krans vom Stuhl gestürzt? Und liegt am Boden? Schreiend? Sag das doch gleich!"

Ich muss Schluss machen, ein Notfall! Wir können uns ja in drei Jahren weiterunterhalten. Ganz in Ruhe.

Experten-Interview zum Thema: Sie wollen endlich mal wieder ausreden? Erziehungsexpertin Trudi Kühn gibt Tipps, wie Sie ein Gespräch führen können, und die Kinder trotzdem zufrieden sind - und ruhig.

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