Süddeutsche Zeitung

Industrieprodukte:Chemikalien, die unfruchtbar machen

Lesezeit: 2 min

Die Industrie setzt perfluorierte Tenside bei der Produktion alltäglicher Dinge wie Regenjacken und Pizzakartons ein. Doch die Chemikalie macht Frauen unfruchtbar.

Christina Berndt

Umweltschützer haben diese hartnäckigen Chemikalien schon lange im Verdacht. Perfluorierte Tenside gelten als krebserregend. Weil die Industrie die nicht abbaubaren Substanzen trotzdem gerne zu allerlei Zwecken und auch bei der Produktion so alltäglicher Dinge wie Pizzakartons und Regenjacken einsetzt, reichern sie sich langsam, aber sicher im menschlichen Körper an. Kaum eine Blutprobe, die in der Umweltprobenbank des Bundes lagert, ist frei von diesen unvergänglichen Chemikalien.

Während Umweltschützer und Industrie noch streiten, welche Konsequenzen das für den Menschen hat, berichten kalifornische und dänische Wissenschaftler nun von einer unerfreulichen Beobachtung: Perfluorierte Chemikalien können möglicherweise die Fruchtbarkeit von Frauen einschränken, schreiben die Forscher im Fachjournal Human Reproduction (Bd.1, S.1, 2009). Frauen mit Kinderwunsch, die besonders viel Perfluoroktansäure (PFOA) oder Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) im Blut haben, brauchen demnach besonders viel Zeit, bis sie endlich schwanger werden.

Die Wissenschaftler machten sich für ihre Analyse die Danish National Birth Cohort zunutze, eine umfassende Studie an werdenden Müttern. Für 1240 von ihnen war zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft die Menge an PFOA und PFOS im Blut erfasst worden. Je nach Chemikalienlast wurden die Frauen in vier Gruppen eingeteilt - von geringen Perfluor-Konzentrationen bis zu hohen. Zudem hatten alle Frauen erzählt, ob die Schwangerschaft geplant war und, wenn ja, wie viel Zeit vergangen war, bis der Wunsch in Erfüllung ging.

Das Ergebnis war deutlich: Im Vergleich zu den am wenigsten mit PFOA oder PFOS belasteten Frauen wurden die Frauen aus den drei stärker belasteten Gruppen besonders häufig als "unfruchtbar" eingestuft - zwischen eineinhalbmal und zweieinhalbmal so oft. Als unfruchtbar galten die Frauen, die eine Fruchtbarkeitsbehandlung in Anspruch genommen hatten oder bei denen mehr als zwölf Monate vergangen waren, bis sie schwanger wurden. Der Zusammenhang zwischen Chemikalienbelastung und langem Warten auf den Kindersegen blieb auch bestehen, wenn Alter und Lebensstil herausgerechnet wurden.

Gift für die Leber

"Studien an Tieren haben bereits gezeigt, dass diese Chemikalien eine Reihe von toxischen Effekten auf die Leber, das Immunsystem und die Fortpflanzungsorgane haben können", sagt Chunyuan Fei von the University of California in Los Angeles, die Erstautorin der Studie. Auch hätten erste Studien ergeben, dass die Substanzen womöglich die Sexualhormone durcheinanderbringen und das Wachstum des Ungeborenen im Mutterleib beeinträchtigen.

Die Zahl der Menschen in den Industrienationen, die ungewollt kinderlos sind, ist in der letzten Zeit stark gestiegen. Experten spekulieren schon lange, dass die Umweltverschmutzung dabei eine Rolle spielt. Allerdings konnten nie Faktoren dingfest gemacht werden, und auch bei PFOA und PFOS besteht bisher nur ein Verdacht.

Die Verwendung von PFOS zumindest ist seit Ende 2006 in Europa verboten, vor allem weil es im Tierversuch krebsfördernd wirkt. "Allerdings gibt es Ausnahmegenehmigungen", sagt Michael Gierig vom Bayerischen Landesamt für Umwelt. "Und diese betreffen ausgerechnet die häufigsten Einsatzbereiche wie die Luft- und Raumfahrtindustrie und Galvanikbetriebe. Das bereitet uns das größte Kopfzerbrechen." Derzeit überprüfe seine Behörde die Abwässer der entsprechenden bayerischen Betriebe. "Wenn gewisse Werte überschritten werden, suchen wir gemeinsam mit den Firmen nach Lösungsmöglichkeiten."

PFOA hingegen wird weiterhin breit genutzt. Das Umweltbundesamt arbeite seit Jahren an einer Risikobewertung, sagt Gierig. "Wir warten sehr darauf."

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SZ vom 30.01.2009/jkr
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