Süddeutsche Zeitung

Glaubensbekenntnis:James Channan

Lesezeit: 2 min

...ist pakistanischer Dominikanerpater. Er setzt sich seit dreißig Jahren für die Verständigung zwischen Muslimen und Christen ein. In einem Land, in dem 2,5 Millionen Christen unter 200 Millionen Muslimen leben.

Protokoll von Ronen Steinke

Wenn Leute aus Europa mich besuchen kommen, höre ich oft die verwunderte Reaktion: mit Verlaub, ist das wirklich eine Kirche? Unsere Kirchen in Pakistan sehen von außen so aus, wie Europäer es sich vorstellen. Aber innen sind sie Moscheen oft zum Verwechseln ähnlich. Männer und Frauen sitzen getrennt, alle ziehen die Schuhe aus, Frauen sind verschleiert mit bunten Tüchern. Das ist eher eine kulturelle oder folkloristische Sache bei uns mit der Verschleierung, nicht so sehr eine muslimische. Die Frauen fühlen sich wohler damit, auch viele christliche. Und: An einem Ort, der einem derart am Herzen liegt, der einem so wichtig, wenn nicht gar heilig ist, stapft man nicht mit Straßenschuhen herum.

Wenn es eine Sache gibt, die man über uns pakistanische Christen wissen sollte, dann die folgende: Mag sein, dass wir nur eine kleine Minderheit in einem der größten muslimischen Länder der Erde sind. Etwa 2,5 Millionen von uns Christen leben unter 200 Millionen Muslimen. Aber wir sind keine Migranten von anderswo. Keine Fremden, die Gastrecht genießen. Sondern wir kommen von hier, von diesem Grund und Boden. Es gab schon Christen auf diesem Land, bevor der Islam entstanden ist.

Wir sind stolz, Pakistaner zu sein. Der Staat Pakistan ist eine noch junge Gründung von Muslimen - und wir haben das von Beginn an solidarisch unterstützt. Als 1947 die Briten ihre Kolonie Indien losließen, spaltete sich das riesige Land in einen vorwiegend hinduistischen Staat und einen kleineren, vorwiegend muslimischen. Wir Christen waren bei der Staatsgründung Pakistans für die Abspaltung der Muslime von Indien, wir haben stets mit angepackt. Aber im Zuge der zunehmenden Talibanisierung der pakistanischen Gesellschaft werden wir heute an den Rand gedrängt, als gehörten wir nicht mehr dazu.

Pakistans Christen gehören heute mit zu den Ärmsten im Land. Dies obwohl unsere Schulen so gut sind, dass auch gebildete Muslime ihre Kinder gerne dorthin schicken. Wir Christen haben es schwerer, Arbeit zu bekommen oder befördert zu werden. Und wir sind die Hauptopfer der strengen Blasphemie-Gesetze unseres Landes. Gotteslästerung wird hart bestraft in Pakistan, selbst die Todesstrafe ist möglich. Dagegen habe ich grundsätzlich nichts einzuwenden, es ist das Gesetz, so will es die Mehrheit. Aber dieses Gesetz wird oft als Vorwand genutzt, um Christen zu denunzieren. Im November 2014 hetzten zornige Muslime ein christliches Ehepaar durch ein Dorf im Punjab, am Ende verbrannten sie den jungen Mann und die Frau bei lebendigem Leib. Der Vorwand: Sie hätten Allah gelästert. Im Mai habe ich in Youhanabad, dem christlichen Viertel der Millionenstadt Lahore, erleben müssen, wie muslimische Fanatiker Häuser niederbrennen wollten, weil sie behaupteten, einer der christlichen Bewohner dort habe Seiten des Koran verbrannt. Wenn ein Muslim der Blasphemie beschuldigt wird, dann immer nur er allein. Wenn ein Christ beschuldigt wird, dann gleich seine ganze Siedlung.

James Channan , 63, ist pakistanischer Dominikanerpater. Er setzt sich seit dreißig Jahren für die Verständigung zwischen Muslimen und Christen ein, auch als Beauftragter des Papstes und Partner des deutschen Hilfswerks Missio t.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2766011
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.12.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.