Süddeutsche Zeitung

Giulia Enders:Der Darm veränderte ihr Leben

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Alles begann mit einem Auftritt bei Giovanni di Lorenzo, heute wird Giulia Enders' Buch "Darm mit Charme" in 40 Ländern verlegt. Treffen mit einer Frau, die sich für Dinge interessiert, die schon immer da waren, aber nie beachtet wurden.

Von Philipp Schneider

Alles ging irgendwie damit los, dass Giulia Enders bei Giovanni di Lorenzo in der Talk-Sendung "3 nach 9" zu Gast war. Enders war später auch noch bei Lanz im ZDF, aber di Lorenzo war der einzige, der das Potenzial des Themas sofort erkannte. Ihm war klar, dass das Buch, das Enders geschrieben hat, Millionen Menschen interessieren würde. Er schwärmte nach der Sendung sogar, Enders Vortrag habe sein Leben verändert. Andere Moderatoren hätten gesagt: "Nee, wir können nicht in unserer Sendung über das Kacken reden."

"Darm mit Charme" ist das erfolgreichste Sachbuch unserer Zeit. 2,2 Millionen Mal wurde es allein im deutschsprachigen Raum verkauft, verlegt wird es in 40 Ländern. Gerade kommt Enders zurück von einer Lesereise in Australien, dort trägt es den Titel "Gut. The Inside Story of Our Body's Most Underrated Organ". Es gibt inzwischen eine Reihe von Darmtrittbrettfahrern, die Bücher auf den Markt drücken, deren Titel schon verraten, dass die Autoren die gleichen Geschichten und Zusammenhänge erzählen wollen wie Enders. Die riesige Neugierde, hat sie erkannt, liegt wohl daran, dass sie Informationen hat, die andere Menschen interessant finden. Enders sagt das wirklich so: "Informationen über den Darm."

Für das Treffen hat die Autorin in den sogenannten Kreativpark im alten Schlachthof in Karlsruhe geladen. Eine alte Schweinemarkthalle wurde aufgehübscht, die Fenster sind ausgetauscht und die Heizungsrohre hip an der Decke verlegt. Wer zunächst nur eine gute Idee für ein Start-up hat, braucht nicht mehr als zehn Quadratmeter Platz. "Ganz nett, oder?", fragt Enders. Ja, ganz hübsch alles.

Giulia Enders hat keinen der Container im Kreativpark gemietet. Sie hatte auch keine verrückte Idee. Sie hat einfach ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, dessen Kapitel teilweise Fragen als Überschriften tragen, von denen man dachte, man kenne bereits die Antwort. "Wie geht kacken?" zum Beispiel.

Man ist ja doch neugierig, was so ein unerwarteter Erfolg mit dem Leben einer angehenden Gastroentereologin angestellt hat. Es muss ja ein Leben vor dem Buch geben und eines danach. Ja, gut, sagt Enders, sie sei nun möglicherweise etwas gelassener auf der Arbeit. "Wenn ich im Krankenhaus bin und merke, ich lerne da nichts, und die Ärzte sind super heftig zu mir, dann muss ich da nicht bleiben." Okay, noch etwas fällt Enders ein. Ein gebrauchtes Auto habe sie sich gekauft. "Fährt gut, ist stabil, war ein richtig guter Deal!" Dann lacht Enders. So wie sie spricht. Hell und so artikuliert, als würde sie permanent ein Hörbuch einsprechen.

"Ich habe gerade so hovering money", sagt Enders. Schwebendes Geld, das sie nicht zwingend braucht. "Ich könnte mir vorstellen, eine Studie oder ähnliches zu finanzieren, in Indien zum Beispiel, wo man Naturvölker trifft und schaut, was haben die für Medizin. Ich will rumreisen und sehen, was es für unentdeckte tolle Ideen gibt."

Giulia Enders interessiert sich vor allem für Sachen, die schon immer da waren, aber nie beachtet wurden. Das haben die Naturvölker und der Darm gemeinsam.

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