Süddeutsche Zeitung

Gender:Lann Hornscheidt will weder Frau noch Mann sein

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Großbaustelle der Geschlechter: Lann Hornscheidt hieß mal Antje und klagt als erster Mensch in Deutschland dagegen, dass man sich im Pass zwischen "männlich" und "weiblich" entscheiden muss.

Von Claudia Fromme

Auf einem Plakat wirbt ein Getränkehändler für Bier mit einer Frau in Hotpants, darunter steht: "Der Astra Tatsch-Screen". Einige Meter weiter hat jemand ein männliches Geschlechtsteil an einen Pfeiler gesprüht. Mit Blick auf Po und Penis sitzt Lann Hornscheidt in einem Sessel an der Hasenheide in Berlin und trinkt Kräutertee.

Es gibt sicher gemütlichere Orte als dieses Randstück Kreuzbergs. Aber Lann Hornscheidt will es auch gar nicht gemütlich haben auf der Großbaustelle der Geschlechter.

Hornscheidt, 51, will weder Mann noch Frau sein. Mehr als 30 Jahre lang trug Hornscheidt den Vornamen Antje. Dann fiel die Entscheidung: "Ich wusste, ich kann mich mit dem, was Weiblichkeit ausmacht, nicht identifizieren. Mit Männlichkeit aber ganz klar auch nicht." Im Ausweis steht nun "Lann", aber weiter "weiblich", so fordert es das Personenstandsgesetz. Hornscheidt klagt dagegen, als erster Mensch in Deutschland: "Im Pass soll gar kein Geschlecht stehen, dafür kämpfe ich, wenn es sein muss, auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte."

Es ist eine Herausforderung, mit oder über Lann Hornscheidt zu reden, ohne ein "er" oder ein "sie" zu verwenden, ein "die" oder "der". Welche Anrede ist die beste? "Lann Hornscheidt, so heiße ich, so steht es auch in meinem Pass." Welche Grußformel in Mails oder Briefen möchten Sie? "Warum denn nicht 'Hallo'? Reicht doch."

Mehr als drei Jahre ist es her, dass Hornscheidt auf der Webseite des Lehrstuhls darum bittet, geschlechtsneutral angesprochen zu werden - und mit dem Titel Profx., auszusprechen Professiks.

Bis heute vergeht auf Twitter oder Facebook seitdem kaum ein Tag, an dem nicht ein hämischer Post zu Hornscheidt auftaucht. Männer drohten Vergewaltigungen an, versehen mit dem Hinweis, dass Hornscheidt dann wisse, wer "sie" sei. Ein Mann dichtete alte Nazilieder mit Mordaufrufen um, bei der er das Wort "Jude" durch "Lann" ersetzte.

Was machen solche Anfeindungen mit einem Menschen? "Ich bin an Kommunikation interessiert, das ist mein Job, das ist mein Leben, warum sollten mich Reaktionen anderer bitter machen?", sagt Hornscheidt. "In einer Welt, in der alles sich verändert, ist für viele die klare Geschlechtertrennung die letzte Gewissheit. Wenn ich jetzt noch einen Schritt weitergehe und sage: Vielleicht ist Zweigeschlechtlichkeit an sich eine Konstruktion, dann irritiert das Menschen. Weil sie nicht irritiert werden wollen oder Angst haben, sagen sie: Die Person, die das vorschlägt, ist doch krank!"

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