Süddeutsche Zeitung

Erziehung:Ich glaube, mein Kind stiehlt

Lesezeit: 2 min

Die jüngere Tochter klagt immer wieder, dass ihre Sachen verschwinden. Was tun, wenn man ihre ältere Schwester verdächtigt? Drei Experten antworten.

Leser Peter K. aus Köln fragt:

Wir haben zwei Töchter (12 und 14). Die Jüngere klagte bereits mehrfach, dass ihre Sachen verschwinden: meist Kleinkram, nun aber zehn Euro. Wir verdächtigen die Ältere, die es leugnet und uns vorwirft, wir würden immer sie bezichtigen. Wir sind von ihrer Schuld überzeugt, aber uns fehlt der Beweis. Inzwischen lassen wir unseren Geldbeutel nicht mehr offen liegen. Aber ändern wir damit ihr Verhalten?

Kirsten Boie: Reagieren Sie konsequent, aber zeigen Sie, dass Sie sie lieb haben

Für Eltern ist das eine enorm belastende Situation, und ich vermute: Um das Verhalten der "Großen" zu ändern - sollte sie tatsächlich stehlen -, müssten Sie mehr über ihre (vielleicht unbewussten) Gründe wissen: Bestiehlt sie ihre Schwester, weil sie tatsächlich etwas haben möchte, wie die zehn Euro? Oder geht es um etwas ganz anderes, vielleicht um etwas in der Beziehung zwischen den beiden Mädchen? Oder der Beziehung zu Ihnen?

Sie erwähnen ja nicht, dass auch Dinge aus Ihrem Besitz verschwinden. Fühlt sich die Große gegenüber ihrer kleinen Schwester also eventuell zurückgesetzt? In der Pubertät gibt es mit den Eltern häufig Reibereien, und gleichzeitig sehen die Kinder: Zu den kleineren Geschwistern sind Mama und Papa immer nett. In der Pubertät sind auch viele Jugendliche, aus denen später großartige Erwachsene werden, eine Zeit lang vollkommen neben der Spur. In jedem Fall sollten Sie es darum Ihrer Tochter leicht machen und keine Versuchungen schaffen. Wenn trotzdem etwas passiert, reagieren Sie konsequent - um an anderer Stelle, wann immer es möglich ist (und das kann in der Pubertät manchmal schwer sein!), wieder zu zeigen, wie sehr Sie die Große trotz allem lieb haben.

Ich kann in diesem Fall nur sagen: Ihr Misstrauen gehört allein Ihnen. Es ist in Ihrem Kopf entstanden und Sie müssen nun entscheiden, was Sie damit anfangen möchten. Mein Rat wäre, nichts zu unternehmen, bis Sie ganz genau wissen, wie die Wahrheit aussieht. Gerade ziehen Sie sich nur von Ihrer Tochter zurück - und das hilft niemandem.

Ich kann Ihre Frage und Ihre Besorgnis gut nachvollziehen. Aus Ihrer Formulierung höre ich heraus, dass Sie im Moment jedoch als Eltern in die Rolle eines Polizisten oder eines Richters geraten sein müssen. Sie "verdächtigen", suchen nach Beweisen, sind misstrauisch und "von ihrer Schuld überzeugt". Versuchen Sie aus dieser Rolle herauszukommen und nicht zu richten, sondern als Eltern eine vertrauensvolle Atmosphäre für Ihre beiden Töchter herzustellen, in der es möglich wird, tiefer liegende Bedürfnisse anzusprechen.

Sie als Familie leben in keinem "Staat". Im Gegenteil: In der Familie sind die Beziehungen nah und warm. Es geht darum, sich auszutauschen, miteinander zu lachen, auch mal Konflikte zu lösen, sich dabei gegenseitig zuzuhören, um zu verstehen, was der andere denkt und fühlt, und so herauszufinden, welche Bedürfnisse jeder in dieser Gemeinschaft hat. Das Verhalten Ihrer Tochter verändern zu wollen, ist allerdings erst der zweite Schritt. Zunächst sollten Sie auf Ihre Tochter zugehen und herausbekommen, wie es ihr geht und was sie benötigt, um die Grenze der Jüngeren zu wahren. Wenn Sie in einen wertschätzenden Dialog mit ihr kommen können, besteht die Chance, etwas darüber zu erfahren, was Ihre Tochter denkt und fühlt. Und was Ihr Portemonnaie angeht: Das können Sie für die nächste Zeit ja trotzdem zur Seite legen.

Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: familientrio@sueddeutsche.de

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3006113
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.05.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.