Süddeutsche Zeitung

Familien-Newsletter:Wer ein Kind bekommt, bekommt auch neue Eltern

Lesezeit: 2 min

Über die Beziehung zwischen Eltern und Großeltern, neue Erziehungsgrundsätze und die Chance, endlich erwachsen zu werden.

Von Elisa Britzelmeier

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung . Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

gut möglich, dass Sie schon so viel zu Prinz Harry gelesen haben, dass es Ihnen nun wirklich endgültig reicht. Als Panorama-Redakteurin komme ich jetzt trotzdem mit noch einem Gedanken zu dessen Selbstoffenbarungskampagne um die Ecke.

Mir ist aufgefallen, wie eindrücklich Harry betont, dass seine Flucht aus Großbritannien - und damit der Bruch mit seiner Herkunftsfamilie - vor allem aus einem Grund nötig war: um seine eigene Familie, seine Kinder, zu schützen. Und das dürften dann auch Nicht-Royals kennen.

Wenn man ein Kind bekommt, verändert sich vieles - oft auch das Verhältnis zu den eigenen Eltern. Die dann ja Großeltern werden. Und meist ihre eigene Erfahrung einbringen wollen. Wie oft darf gestillt werden? Wo schläft das Baby? Wann gibt's den ersten Brei? Dazu haben Eltern heute oft andere Meinungen als die Eltern von früher, und so kommt es zwischen den Generationen oft zum Streit - meine Kollegin Lisa Harmann hat das Phänomen hier beschrieben und auch, wie man es vermeiden kann.

Dabei geht es nur oberflächlich um Familienbett, Tragetuch oder breifreie Beikost. Aus Kommentaren wie "So macht man das also heutzutage" oder Fragen, die mit "Bist du dir sicher, dass ...?" beginnen, hören junge Eltern vor allem Vorwürfe heraus. Und Großeltern wiederum erleben es andersherum als Vorwurf, wenn etwas anders gemacht wird, als sie es damals gemacht haben. Als sei das nicht gut genug gewesen.

Tatsächlich verändert sich durch das Elternwerden bei vielen der Blick auf die eigene Kindheit. Ein Freund, der gerade Vater geworden ist, sagte neulich zu mir, er habe erst jetzt gemerkt, wie sehr er bisher doch im stillen Einverständnis mit seinen Eltern gelebt hat. Elternwerden zwingt viele zur Emanzipation.

Viele Mütter und Väter machen sich heute intensive Gedanken darüber, was ihnen bei der Kindererziehung wichtig ist - und stellen dann fest, dass es in der eigenen Kindheit so ganz anders war. Trotzdem ertappen sie sich dabei, wie ihnen Sätze rausrutschen, die sie von den eigenen Eltern haben und die sie immer gehasst haben. Geschärft wird dieser psychologische Blick durch reihenweise Literatur zur Kindererziehung, die heute auf Elternnachttischen liegt, Titel wie "Nestwärme, die Flügel verleiht" (Stefanie Stahl) oder "Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen" (Philippa Perry).

Typische Gedanken sind dann: Oh, meine eigentlich liebevolle Mutter kam wohl mit meiner Wut nicht zurecht. Hm, irgendwie fühlt es sich so an, als habe man mir nie etwas erklärt. Nein, mein Vater hat sich wirklich noch nie bei mir entschuldigt.

Zusammengefasst: Wer Kinder bekommt, bekommt auch neue Eltern, verdrängte Gefühle aus der eigenen Kindheit kommen hoch und alle Beteiligten müssen sich damit auseinandersetzen.

Ging es Ihnen da genauso? Was hat sich in der Beziehung zu Ihren Eltern verändert, als Sie Kinder bekamen? Schreiben Sie mir gern.

Ein schönes Wochenende wünscht

Elisa Britzelmeier

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