Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Muss der Sohn noch mit?

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Der zwölfjährige Sohn von Jan T. fängt an, sich den familiären Wochenendaktivitäten zu verweigern - er bleibt lieber daheim. Wie sollen die Eltern damit umgehen? Unsere Experten antworten.

Unser Sohn, 12, verweigert plötzlich unsere Wochenendaktivitäten. Neulich wollte er kurz vor Aufbruch nicht mehr zur Kommunion meiner Nichte mitkommen. Wir konnten ihn nur mit viel Mühe überreden. Ich finde es in Ordnung, wenn er nicht mehr bei jedem Badeausflug dabei sein möchte. Aber bei Familienfeiern will ich nicht mit ihm diskutieren müssen. Was raten Sie?

Jan T. aus Berlin

Margit Auer:

Oh weh, hier naht mit schnellen Schritten die Pubertät. Ich kann mich an ein Familienfest erinnern, bei dem ein Mädchen, es war vielleicht 13 Jahre alt, zwei Stunden mit der Familie anreiste, das Auto aber nicht verließ. Sie saß die ganze Zeit im Kofferraum und las. Stundenlang. Sie sprach mit niemand, alle haben sie in Ruhe gelassen. Danach fuhr die Familie wieder heim. Was das Mädchen machte, als sie mal aufs Klo musste, ob die Geschwister sie mit Kuchen versorgten - keine Ahnung. Worüber im Auto gesprochen wurde, weiß ich auch nicht. Ich war damals Studentin und fand das Verhalten der Eltern ziemlich cool. Heute weiß ich aus eigener Erfahrung: Die Pubertät der Kinder übersteht man nur mit Gelassenheit und Humor. Und mit Reden. In Ihrem Fall würde ich mit dem Sohn sprechen: Wie würde es dir gehen, wenn zu deinem Fest niemand kommt? Wenn deine Gäste einfach zuhause bleiben, weil sie gerade Null Bock haben? Vielleicht bringt ihn das ins Grübeln?

Herbert Renz-Polster:

Diskutieren werden Sie mit ihm schon müssen, denn was ist denn die Alternative? Dass Sie ihn zwingen. Ja, damit können Sie auch noch eine Weile "erfolgreich" sein, aber um welchen Preis? Sie müssen dann einen Kampf um die Macht einleiten, den niemand gewinnen kann. Es ist ja Geschäftszweck der Kindheit, dass Kinder nun ihrerseits immer "mächtiger" werden. Allzu leicht finden Sie sich dann in einem Behauptungswettkampf wieder, und der macht das Leben als Familie auch nicht schöner. Jetzt, wo Ihr Sohn die Kindheit hinter sich lässt, sehe ich eher die Zeit zum Üben. Ihr Sohn ist jetzt zwölf, da hat er bestimmt hörenswerte Gründe für seine Entscheidung. Und vielleicht auch Vorschläge für den einen oder anderen Kompromiss. Vielleicht ist für ihn das, was für Sie eine Feier ist, gerade ein ziemlicher Stress. Weswegen? Genau das wäre ja interessant zu wissen. Wenn Sie ihn einfach zwingen, lernt er ja nur, dass seine neue Welt nicht zählt. Und dass man Konflikte nicht durch Reden, Zuhören und Kompromisse löst, sondern durch Ansagen von oben.

Collien Ulmen-Fernandes:

Seien Sie glücklich über die zwölf Jahre, in denen Ihr Sohn klaglos mit an die wunderschönen Seen im Umland gefahren ist. Diese Zeit ist vorbei. Seine Helden sind nicht mehr - oder zumindest nicht mehr ausschließlich - seine Eltern, seine Lebensqualität misst er jetzt darin, wie oft er sich mit seinem Lieblingsfreund treffen kann und wie viele Stunden die beiden vor einem für Sie unverständlichen Videospiel verbringen können. Das ist natürlich jetzt alles Spekulation (vielleicht spielt Ihr Sohn in seiner Freizeit mit dem Freund auch Querflöte oder die beiden beobachten Biber), aber die generelle tektonische Verschiebung in dem Alter ist ja bekannt und unser aller Elternschicksal. Sie könnten mit Ihrem Sohn darüber reden, welche Aktivitäten innerhalb der Familie Sie für essenziell halten. Dass er beim nächsten Mal trotzdem quengelt, scheint mir aber auch sicher zu sein.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020
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