Süddeutsche Zeitung

"Er sagt, sie sagt" zu Weihnachten:"Ist der nicht ein bisschen schief?"

Lesezeit: 2 min

Der Weihnachtsbaum: zu klein. Das Geschenk: eine Zumutung. Immerhin kann das eine das andere aufwiegen. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Sie stehen nebeneinander vor dem geschmückten Weihnachtsbaum, an dem die Kerzen brennen. Von irgendwoher dudelt "Rudi the Red-Nosed Reindeer".

Sie ( legt den Kopf schräg): Findest du nicht, dass er etwas schief ist?

Er: Ach wo, überhaupt nicht.

Sie: Der, den du im vergangenen Jahr besorgt hast, war jedenfalls größer.

Er: Ich habe aber genau so viel dafür bezahlt wie vergangenes Jahr ...

Sie: Umso schlimmer.

Er: So ein großer Baum ist sowieso ganz schlecht fürs Klima. Hast du dir mal überlegt, wie umweltschädlich es allein ist, diese Riesen zu transportieren?

Sie: Du siehst das ganz falsch. Glaub mir, je größer und schöner der Baum, desto besser fürs Klima. Zumindest zwischen uns beiden.

Er: Wenn es nach dir ginge, dürfte ich die gesamte Adventszeit dem perfekten Baum nachjagen. Und Weihnachten würden wir im Innenhof verbringen. Weil wir das Ding gar nicht erst durch unsere Haustür bekämen.

Sie: Und wenn es nach Dir ginge, hätten wir gar keinen.

Er: Doch, wir hätten so einen täuschend echten Kunstbaum. Der nadelt nicht und man holt ihn einfach aus dem Keller, wenn man ihn braucht.

Sie: So etwas kommt mir nicht ins Haus.

Er: Weißt Du eigentlich, wie lange so ein Baum wachsen muss, um diese Größe zu erreichen? Und nach ein paar Tagen werfen wir ihn weg.

Sie: Moooment! Weißt Du eigentlich, wie lange ich in der Küche stehe, um den Gänsebraten für Deine Eltern zuzubereiten? Und nach 20 Minuten ist alles weggefuttert.

Er: Du machst das ja auch immer ganz prima, wirklich! ( nach einer kleinen Pause) Was meinst du, vielleicht sollte ich mal mein Geschenk auspacken?

Sie: Wenn Du es mit Deinem Gewissen vereinbaren kannst, wo Du doch Weihnachten für überbewertet hältst.

Er ( nestelt an der Verpackung, holt einen Gegenstand aus einem Lederetui und beäugt es): Hui, ein Nasenhaarschneider!

Sie: Was genau meinst Du mit "Hui"?

Er: Na ja, wie soll ich sagen: Wow.

Sie: Allerdings! Guck mal, das ist ein abnehmbarer Edelstahl-Scherkopf mit spritzwassergeschütztem Gehäuse. Damit kannst Du sogar duschen! Die Haare in den Ohren kriegst Du damit übrigens auch weg.

Er: Äh. Ja. Willst du deines mal öffnen?

Sie ( wickelt vorsichtig ein kleines Päckchen aus, in dem sich ein Paar Ohrringe befinden): Oh! Die sehen ja aus wie Christbaumkugeln.

Er: Ja, süß, nicht wahr?

Sie: Ja. Schon süß. Vielleicht etwas auffällig.

Er: Sie gefallen dir nicht. Tut mir leid, ich dachte, das wäre mal etwas anderes. Weiß du was? Ich hab eine Idee. ( Er nimmt die Ohrringe und hängt sie an den Baum) Schön, oder?

Sie: Sehr schön!

Er: Sag mal, hättest du was dagegen, wenn ich diese Nasenmaschine daneben hänge? Das Ding macht mir irgendwie Angst.

Sie: Ich hatte es befürchtet.

Er hängt den Nasenhaarschneider in den Baum, der Zweig biegt sich unter seinem Gewicht.

Sie: Gar nicht schlecht! Und ist das mein weihnachtlicher Schleierblick oder sieht der Baum plötzlich gerader aus?

Er: Stimmt - jetzt, wo du's sagst. Frohe Weihnachten!

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