Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Die Altersweisen:Wo kommst du zur Ruhe?

Lesezeit: 1 min

Lavinia, 17, liebt ein paar Stunden für sich am Morgen, Erica, 79, kann mit Büchern total abschalten. Wie junge und alte Menschen die Welt sehen und erleben, erzählen sie in dieser Kolumne.

Protokolle von Niko Kappel

Lavinia, 17, wohnt in München und engagiert sich politisch.

"Ich habe früher irrtümlicherweise immer gedacht, nach einer stressigen Klausurenphase müsste ich mich mit ganz vielen Leuten treffen. Ich dachte, ich komme zur Ruhe, wenn ich mich ablenke. Meine zweite Strategie war, den ganzen Tag im Bett zu liegen und mir irgendwas anzuschauen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich dabei gar nicht erhole.

Was mir wirklich hilft, ist ein Tag, der nicht durchgeplant ist. Diese Freiheit, im Moment zu entscheiden, was ich gerade tun will. Dazu finde ich aber auch kleine Routinen sehr entspannend. Ich versuche, nach dem Aufwachen zu lesen. Außerdem hilft es mir, jeden Tag ein bisschen Yoga zu machen. Einfach morgens die ersten paar Stunden für sich zu haben und gar nicht erst mit so vielen Informationen zugeballert zu werden. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie ich mich gerade fühle. Wofür bin ich dankbar und worauf habe ich heute Lust? Ich schreibe mir das dann auch auf. Das hilft mir, solche Dinge zu manifestieren."

Erica, 79, lebt mit ihrem Mann in Zürich und liest gerne.

"Wenn ich lese, dann kann ich total abschalten. Das absorbiert mich völlig. Ich nehme nichts mehr wahr, lebe in der Geschichte. Ich lese lieber anspruchsvolle Bücher, auch wenn das manchmal mühsamer ist. Das letzte Buch, das ich gelesen habe, ist von Gerbrand Bakker, es heißt ,Der Umweg'. Das hat mich wahnsinnig gefesselt. Es geht um die junge Frau Agnes, die in Wales lebt. Sie kommt in eine schwierige, zwischenmenschliche Situation und muss die meistern. Unglaublich gut geschrieben.

Ich lese am liebsten in meinem Sessel im Wohnzimmer. Dort habe ich einen schönen Blick aus dem Fenster ins Grüne. Ich kann mich richtig fallen lassen und sehe manchmal eine Stunde nicht auf. Im Bett vor dem Einschlafen lese ich auch. Wenn ich das nicht tue, komme ich schwerer zur Ruhe. Lesen ist für mich wie ein Dimmschalter für die normale Welt. Wenn ich ein gutes Buch habe, komme ich immer runter."

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