Süddeutsche Zeitung

Berliner Charité:Weitere Frühgeborene von Keiminfektion betroffen

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"So eine Infektion ist immer ein Hygienefehler": Ein Frühchen ist nach einer Keiminfektion in der Berliner Charité gestorben, sieben weitere Babys sind erkrankt. Die gefürchteten multiresistenten Keime spielten nach Auskunft der Charité aber keine Rolle.

Werner Bartens

In der Berliner Charité ist ein frühgeborenes Baby nach einem Keimbefall gestorben. Wie die Universitätsklinik am Samstag mitteilte, wurde wegen der Infektion mit sogenannten Serratia-Bakterien ein Aufnahmestopp für die zwei betroffenen Frühchenstationen am Campus Virchow-Klinikum verhängt. Der Campus Charité in Berlin-Mitte ist demnach nicht betroffen. Nach Auskunft der Klinik sind sieben weitere Babys nach einer Infektion mit den Keimen erkrankt. Das gestorbene Baby war nach einer Behandlung am Virchow-Klinikum im Deutschen Herzzentrum in Berlin operiert worden. Es starb anschließend an einer Blutvergiftung.

Wie eine Charité-Sprecherin mitteilte, war das Frühchen vor der Verlegung in das Herzzentrum noch negativ auf die Serratien getestet worden. Im Nachhinein seien aber die Keime doch nachgewiesen worden. Bakterien der Gattung Serratia sind normalerweise harmlose Bewohner der Darmflora, der bekannteste Vertreter ist Serratia marcescens. Die Keime kommen auch im Boden und im Wasser vor und stellen normalerweise keine Gefahr für den Menschen dar. Ist das Immunsystem allerdings geschwächt - etwa bei Menschen mit Vorerkrankungen, Alten und eben Frühgeborenen - können die Erreger eine Lungenentzündung, Meningitis oder Blutvergiftung auslösen.

Der Zustand der anderen erkrankten Frühchen habe sich laut Mitteilung der Charité inzwischen stabilisiert. Der Keimausbruch war demnach am 8. Oktober festgestellt und umgehend dem Gesundheitsamt gemeldet worden. Seither seien die Keime außer an den erkrankten Frühchen noch an 15 weiteren Babys nachgewiesen worden, ohne dass diese Krankheitssymptome aufwiesen. Es seien umfangreiche Schutzmaßnahmen eingeleitet worden. Dazu gehörte nach Angaben der Klinik auch eine Teilung der beiden betroffenen Stationen in infizierte und nicht infizierte Patienten, denen jeweils unterschiedliches Pflegepersonal zugeordnet wurde.

Multiresistente Keime spielen angeblich keine Rolle

Erste Probleme mit Serratia-Bakterien hatte es an der Charité nach eigenen Angaben bereits im Juli gegeben. Damals habe höchstwahrscheinlich eine infizierte Mutter das Bakterium an ihr Neugeborenes weitergegeben. Die gefürchteten multiresistenten Keime spielten nach Auskunft der Charité diesmal keine Rolle. Diese Bakterien sind gegen nahezu alle Medikamente resistent geworden, sodass sie nur schwer in den Griff zu bekommen sind, wenn sie sich einmal auf einer Krankenhausstation ausgebreitet haben. Multiresistente Keime hatten in einem früheren Fall in Bremen eine Rolle gespielt, dort waren bis zum Februar fünf Frühchen nach Infektionen mit solchen Keimen gestorben. Serratien lassen sich hingegen zumeist gut mit herkömmlichen Antibiotika behandeln.

Jährlich kommen in Deutschland ungefähr 8000 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1500 Gramm zur Welt, die kleinsten von ihnen wiegen nur um die 500 Gramm. Je kleiner und leichtgewichtiger Frühgeborene sind, desto anfälliger ist ihr Organismus. Neben der Unreife der Lungen, die zu massiven Atemwegsproblemen führen kann, sind besonders Infektionen aller Art bedrohlich für die Frühgeborenen, da ihr Abwehrsystem noch nicht ausgereift ist. Da sich ihr Darm nicht ausreichend bewegen kann, ist eine schwere Darmentzündung mit nachfolgender Blutvergiftung bei Frühchen besonders gefürchtet.

Erwartungsgemäß äußerte sich Klaus-Dieter Zastrow von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) zu dem Todesfall in Berlin. Er äußert sich jedesmal, wenn Menschen durch Krankenhausinfektionen zu Schaden kommen und nimmt dies zum Anlass, mehr Hygienebeauftragte in Kliniken zu fordern. Zastrow warf der Charité Schlamperei vor. "So eine Infektion ist immer ein Hygienefehler und kein wundersames Unheil von oben", sagte er der Berliner Morgenpost. "Ob es nun Serratien oder andere Keime sind - wenn ordentlich desinfiziert wird, kann es keine Probleme geben", sagte Zastrow.

Zwar könnten durch striktere Hygienemaßnahmen nach Expertenmeinung nahezu die Hälfte der jährlich mindestens 500.000 Krankenhausinfektionen in Deutschland vermieden werden - ganz zu verhindern sind sie jedoch nicht.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2012
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