Süddeutsche Zeitung

Bedrohte Tiere:Zum Kugeln

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Die Kegelrobbe ist das größte Raubtier Deutschlands und wird bis zu 300 Kilo schwer. An vielen Ostseestränden galt sie als ausgerottet, doch jetzt sind wieder Tiere aufgetaucht.

Von Thomas Hahn

Die Greifswalder Oie ist eine Insel in der Ostsee. Sie hat eine Steilküste und einen Strand mit Steinen. Der kleinen Kegelrobbe gefiel es gut dort. Es war ein sonniger Frühlingstag im April. Die Steine waren warm. Die kleine Kegelrobbe war länger geschwommen, als kleine Kegelrobben das normalerweise tun sollen.

Sie ruhte sich zwischen den Steinen aus. Manchmal schaute sie mit ihren schwarzen Knopfaugen zur Steilküste hinauf. Ob sie merkte, dass ein paar Menschen sie von dort aus beobachteten? Stella Klasan und ihr Team vom Naturschutzverein Jordsand wollten die kleine Robbe auf keinen Fall stören. Sie wussten, dass dieses junge Tier mit seinem weißen, struppigen Fell etwas Besonderes war.

Können Robben lachen? Mal mit ein paar Witzen probieren: "Egal wie viel Fisch Hamburg hat, München hat Robben."

Huhu! Erst wenige Tage alt und schon kennt die kleine Kegelrobbe ihren ersten Witz: "Was braucht jemand, der im Schwimmbad seine Brille verloren hat? - Einen Seehund."

"Mein Arzt hat mir empfohlen, das Kegeln aufzugeben." - "Aus gesundheitlichen Gründen?" - "Nein, weil er mir zugesehen hat..."

"Das Leben mit Sport ist so viel leichter. Wenn ich beim Yoga die Kerze nicht schaffe, mache ich einfach ein Teelicht."

Dass die kleine Kegelrobbe im vergangenen Frühling auf der Greifswalder Oie auftauchte, war eine Überraschung. Denn eigentlich gab es dort keine Kegelrobben mehr. Die Menschen hatten sie ausgerottet, weil die Kegelrobben nicht die Fische fressen sollten, welche die Fischer fangen wollten. Erst als die Jagd auf Kegelrobben verboten war und die Menschen den Naturschutz ernster nahmen, kamen sie langsam zurück. Zunächst nur ältere Tiere, die sich ausruhten auf ihren Wanderungen durchs Meer. Im vergangenen Jahr haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann festgestellt, dass es wieder Kegelrobbenbabies an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern gibt. Eine Kegelrobbengeburt wurde sogar nachgewiesen.

Aber nicht alle sind froh über die Entwicklung. Auch die Fischer von heute fürchten die Kegelrobbe wegen ihres Appetits auf Fisch. Robbenschützer und Fischereivertreter empfehlen deshalb, dass die Landesregierung die Fischer entschädigen solle, wenn Kegelrobben deren Netze plündern oder kaputt machen.

Und die kleine Kegelrobbe, die vor einem Jahr die Greifswalder Oie besuchte? Sie kam vermutlich von der Insel Usedom oder vom Greifswalder Bodden und war abenteuerlustig. Kegelrobben bleiben in ihren ersten Lebenswochen eigentlich an Land. Ihr weißes Lanugofell wirkt wie ein Wollpullover: Es hält an der Luft warm, saugt sich aber im Meer mit Wasser voll und schützt nicht mehr vor Kälte. Damit zu schwimmen ist schwierig. Aber an jenem Tag im April war es schon fast wie im Sommer. Außerdem war die kleine Kegelrobbe gut genährt und hatte eine wärmende Fettschicht auf den Rippen. Sie wirkte fröhlich, schien ihre Freiheit zu genießen. Schwer zu sagen, wo sie heute ist. Die Naturschützer hoffen, dass sie den Winter gut überstanden hat. Das Lanugofell trägt sie nicht mehr, stattdessen das dichte graue Fell, das wie ein Taucheranzug aussieht. Vielleicht erforscht sie gerade mit jugendlicher Neugier die Geheimnisse des Meeres?

Jetzt ist Jungtierzeit an der Ostsee. Mecklenburg-Vorpommerns Naturschützer sind gespannt, was passiert. Vielleicht wagt sich wieder eine kleine Kegelrobbe bis zur Greifswalder Oie vor.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2019
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