Süddeutsche Zeitung

25 Jahre Aerobic:Wir wollen hüpfen, hüpfen, hüpfen

Lesezeit: 3 min

"Up, down, up, down and squeeeze!": Vor 25 Jahren hat Jane Fonda ein Workout-Video auf den Markt geworfen - und schon war Aerobic in der Welt.

Tanja Rest

Man muss es als revolutionären Anschlag auf das Nischenprogramm des deutschen Mannes begreifen, dass im Januar 1983 eine Gruppe Frauen nebst blonder Riegenleiterin im ZDF-Sportstudio auftrat. Der Reporter des Spiegel beschrieb das Ereignis hinterher so: "Als sei der Leibhaftige in sie gefahren, ließen sie die Hintern rotieren, rissen die Arme hoch, wirbelten mit den Köpfen und hüpften gummiballartig umher. Schließlich gingen alle in die Knie und sprangen wie verschreckte Frösche immer wieder in die Luft." Die Riegenleiterin sollte später zu dem Kalauer "Lieber Paris-Dakar als Sydne Rome" Anlass geben. Aber was sie da machte, das ließ sich selbst vom Spiegel nicht mehr wegwitzeln. 30 Millionen Amerikanerinnen und bereits eine Million Deutsche machten das Gleiche.

Mitmachen: Aerobic mit Jane Fonda

Am 25. April 1982 hatte die amerikanische Schauspielerin Jane Fonda, dem Establishment als "Barbarella" und "Hanoi Jane" noch in verstörender Erinnerung, eine abermals neue Weltanschauung auf den Markt geworfen - verpackt in 76 Videominuten. In "Jane Fonda's Workout" wandte sich die 44-Jährige im knappen Einteiler an die Mithüpferinnen vor dem Bildschirm: "Everybody ready? So let's go! Deep. . . and out! Deep. . . and out!"

Dann brach die Discomucke los, und das Aerobic war in der Welt.

Strenggenommen ging der Trimmtanz auf den amerikanischen Arzt und Astronautentrainer Kenneth H. Cooper zurück, der in den sechziger Jahren ein Ausdauertraining zur Stärkung von Herz und Kreislauf entwickelt hatte. Er nannte es "Aerobics", da der Sauerstoffumsatz im Körper angekurbelt wurde. Fonda übernahm den Begriff, schraubte ein paar Dehn- und Streckübungen aus der klassischen Gymnastik zusammen, addierte verschiedene Belastungs-Sequenzen und legte den zeitgenössischen Disco-Rumms von Diana Ross und Olivia Newton-John darunter. Deren Songs wurden von der Aerobic-Welle an die Spitze der Charts gespült. "Physical", "Muscles", "Work That Body". Titel wie gebellte Kommandos.

Der Aerobic-Klassiker der Neuzeit: "Call on me" von Eric Prydz

Ob das Hopsen auf hartem Boden den Gelenken und der Wirbelsäule wirklich gut tat, war von Anfang an umstritten. Aber es ging ja um viel mehr. Aerobic sollte den orientierungslosen Töchtern der Achtziger ein völlig neues Ich-Gefühl einimpfen: gutgelaunt, selbstbewusst, strong. Ausdruck und Trophäe dieser Haltung war der gestählte Körper.

Der Bauch wie ein Brett, die Beine sehnig, die Arme definiert und muskulös (um später von den Schulterpolstern noch überformt zu werden). Aerobic markierte den Beginn des modernen Körperkults, lupenreiner Narzissmus ließ Frauen auf der ganzen Welt erhobenen Hauptes in die neueröffneten Fitnessstudios pilgern, wo sich der Duft von Haarspray mit dem Geruch von Achselschweiß vermischte.

Es war die Zeit, als die deutsche Hausfrau im Vormittagsprogramm von bedrohlich lächelnden Vorturnerinnen ihre ersten Brocken Englisch lernte: Trimm dich hieß nun "Body Workout", Aufwärmen "Warm-up" und Turnhalle "Gym". Am Berliner Kurfürstendamm brüllte im "Let's move Studio" Sydne Rome ihre Befehle - "up, down, up, down, right, left and squeeeze!". Lediglich einige Kilometer weiter, jenseits der Mauer, hieß Aerobic antikapitalistisch noch "Popgymnastik" und wurde in der Sendung "Medizin nach Noten" gelehrt.

Jane Fonda baute ein Aerobic-Imperium auf, das beim Workout-Video natürlich nicht Halt machte. Ihre bonbonfarbenen Bodies aus der Stretch-Wunderfaser Lycra, die Glitzergürtel, wollenen Wadenwärmer und Reebok-Turnschuhe emanzipierten sich von ihrem ursprünglichen Kontext, fanden ihren Weg in Designerkollektionen, Musikvideos und von dort auf die Straße. Mehrere hundert Millionen Dollar soll die geschäftstüchtige Jane innerhalb kürzester Zeit verdient haben, weltweit tanzten Frauen nach ihrem Kommando. Und dann war es auf einmal vorbei.

Es war wie eine riesige Discokugel, die irgendwann Mitte der Achtziger von der Decke krachte. Die gesundheitlichen Bedenken hatten sich gehäuft. Möglich auch, dass den Leuten das Gehopse schlicht langweilig geworden war und sich so viele Menschen nicht mehr auf die eine Disziplin einigen konnten.

Die Körperbesessenheit und mit ihr die Fitnesstempel blieben, doch die Massendisziplin Aerobic zerplatzte in tausend Stücke. Tae Bo, Tai Chi, Qi-Gong, Pilates, Spinning, Step, Power Yoga, Modern Dance, Jazzdance, Streetdance...

Um die Disziplin noch einmal ins Bewusstsein der Masse zu katapultieren, musste schon Madonna ihr "Hung up"-Video drehen - im lila Lycra-Trikot, mit Gürtel um die Taille, durchtrainiert, selbstbewusst, strong...

Jane Fonda übrigens hat später zugegeben, dass sie 25 Jahre lang unter Magersucht gelitten hat. "Ich konnte keinen Bissen in den Mund schieben, ohne Angst um meine Figur zu haben." Und das war dann doch eine Enttäuschung.

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Quelle:
SZ vom 25.4.2007
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