Süddeutsche Zeitung

Woodstock 2019:Das geplatzte Jubiläums-Festival. 

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Der Woodstock-Organisator Michael Lang wollte den Geist des Festivals wiederbeleben und scheiterte. Eine Chronologie.

Von Quentin Lichtblau

Etwas Einzigartiges neu auflegen zu wollen - eigentlich schreit einen das Paradoxe dieser Idee ja schon an. Michael Lang, Organisator des Ur-Woodstock von 1969, hat in den letzten Monaten trotzdem ständig verkündet, den "Geist von Woodstock" zurückbringen zu wollen, gerade jetzt, wo die USA so gespalten seien wie vor 50 Jahren. Der Wiederbelebungsversuch zum 30. Jahrestag endete 1999 mit brennenden Bühnen, Plünderungen und Massen-Vergewaltigungen. Woodstock 50 sollte besser laufen. Nun, zwei Wochen vor dem Termin am 16. August, wurde das Festival abgesagt. Eine Chronologie des Scheiterns:

Februar 2019: Die Produktionsfirma Superfly weist daraufhin, dass der geplante Veranstaltungsort, eine Rennstrecke in Watkins Glen, Upstate New York, nur für 65 000 Besucher ausgelegt ist. Lang hält eine solche Begrenzung nicht für nötig. Sein Ziel: 100 000 bis 125 000 Besucher.

März 2019: Erste Gerüchte kommen auf, dass viele Künstler noch kein Geld gesehen haben. Lang dazu: "Es gab schon immer viele Gerüchte rund um Woodstock."

April 2019: The Black Keys, geplant als Samstags-Headliner, ziehen ihre Zusage zurück. Gleichzeitig berichten lokale Medien, es liege keine Genehmigung für das Festival vor.

Einer der Hauptfinanziers des Festivals, die Kommunikationsagentur Dentsu Aegis Network, sagt Woodstock 50 daraufhin eigenmächtig ab. Laut dem Branchenblatt Billboard sind zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Millionen Dollar für das Artist-Booking geflossen. US-Medien berichten, dass mit dem Ausstieg von Dentsu auch die abgeschlossenen Verträge mit den Künstlern hinfällig seien. Lang protestiert: "Woodstock hat nie Dentsu gehört, Woodstock gehört den Menschen. Woodstock 50 wird stattfinden und es wird der Hammer!" Auch die Produktionsfirma Superfly steigt als Partner aus.

Dentsu und Lang treffen sich vor Gericht wieder. Lang und sein Team werfen der Agenturgruppe "Verrat" vor und reichern dies mit einem Hauch von Verschwörungstheorie an: Die japanischen Unternehmer hätten die Künstler überredet, nicht bei Woodstock 50 aufzutreten, und im Gegenzug Kontakte zu den Veranstaltern der Olympischen Spiele 2020 in Tokyo versprochen. Außerdem fordert Lang 17,8 Millionen Dollar zurück, die Dentsu angeblich veruntreut habe.

Die Richter entscheiden, dass Dentsu das Festival nicht eigenmächtig hätte absagen dürfen. Lang feiert die Entscheidung, steht aber weiterhin ohne Finanziers da - die 17,8 Millionen Dollar bekommt er auch nicht.

Juni 2019: Die Investmentbank Oppenheimer & Co. steigt als Investor ein, CDI Entertainment als neue Produktionsfirma. Doch es gibt ein neues Problem: Die Betreiber der Rennstrecke kündigen ihre Vereinbarung mit den Woodstock-Organisatoren. Wie sich herausstellt, schulden Lang und sein Team den Betreibern 150 000 Dollar. CDI Entertainment zieht sich wieder aus der Produktion zurück.

Das Woodstock-Team erklärt, es stehe in Gesprächen mit alternativen Veranstaltungsorten. Ende des Monats scheint der Ort gefunden: Die Pferderennbahn Vernon Downs, ebenfalls im Staat New York. Sie bietet allerdings höchstens Platz für 45 000 Besucher.

Juli 2019: Der Bezirkssheriff von VernonDowns schlägt vor, die Planungen um ein Jahr zu verschieben, er könne in den verbleibenden 39 Tagen keine sichere Veranstaltung organisieren. Die Woodstock-Organisatoren versprechen, die Einwände in der "finalen Planungsphase" des Festivals zu berücksichtigen, und sagen, sie seien weiterhin zuversichtlich, ein "Weltklasse-Festival" auf die Beine zu stellen.

9. Juli: Die Genehmigung für das Festival werde nicht erteilt, erklärt die zuständige Bezirksverwaltung. Was die Veranstalter bisher präsentiert hätten, habe "kaum eine der Voraussetzungen" erfüllt.

25. Juli: Die New York Times schreibt: "Woodstock 50 ist gerettet!" Das Festival werde nach Maryland verlegt. Allerdings haben inzwischen viele Künstler abgesagt, darunter Jay-Z, Miley Cyrus sowie die Woodstock-Urgesteine Santana, John Fogerty von Creedence Clearwater Revival und Country Joe McDonald. Letzterer sagte der Baltimore Sun: "Ich bin nicht daran interessiert, auf ein sinkendes Schiff zu steigen, und ich sehe keine Anzeichen dafür, dass dieses Schiff nicht sinkt."

Verbleibende Headliner wie The Killers oder Imagine Dragons führen das Festival nicht in ihren Tourdaten auf. Das Magazin Variety berichtet, es solle auf einen einzigen Tag zusammengeschrumpft werden.

Nur The Zombies bleiben bei ihrer Zusage. Deren Manager hatte gegenüber der Website Pollstar gesagt: "Was die da machen, fühlt sich ein bisschen an wie vor 50 Jahren. Das einfach total starrköpfig durchziehen zu wollen, trotz all der Hindernisse - ich mag diesen Spirit!"

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Quelle:
SZ vom 02.08.2019
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