Süddeutsche Zeitung

Welfenschatz:Deutschland auf der Anklagebank

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Von Ira Mazzoni

Der Streit um den rechtmäßigen Besitz des Welfenschatzes soll nun in Amerika ausgetragen werden, vor einem Bundesgericht in Washington. Auf der Anklagebank: Die Bundesrepublik Deutschland und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Die Kläger sind überzeugt, dass die überaus kostbaren mittelalterlichen Kleinodien 1935 von einem jüdischen Kunsthändlerkonsortium nur unter politischem Druck und weit unter Preis über die Dresdner Bank an das Land Preußen verkauft worden sind. Der Goldschatz sei mithin Raubkunst und müsse zurückgegeben werden.

"Welfenschatz" wird der ehemalige Kirchenschatz der Braunschweiger Stiftskirche St. Blasius genannt, der sich seit dem 17. Jahrhundert im Besitz der Welfen-Familie befindet. 1929 sah sich das Haus Braunschweig-Lüneburg durch die wirtschaftliche Lage gezwungen, den Schatz zu verkaufen. Wie üblich bei so bedeutenden Kunstschätzen aus Adelsbesitz bildete sich ein Kunsthändlerkonsortium, das die Kaufsumme anteilig aufbrachte.

Im Namen des Konsortiums wurde der Vertrag von den Frankfurter Händlern Julius Falk Goldschmidt, Zacharias Max Hackenbroch und Isaak Rosenbaum unterschrieben. Die Kunsthändler schickten den Schatz auf Amerika-Tournee und verkauften dort 40 Objekte im Wert von 2,5 Millionen Reichsmark. Die wertvollsten Stücke aber konnte sich kein US-Museum leisten.

Anwalt der Kläger: "Jüdische Vorbesitzer wurden erpresst"

42 Goldschmiedearbeiten, darunter das große Kölner Kuppelreliquiar, kehrten unverkauft nach Europa zurück und wurden in Amsterdam eingelagert. Nazi-Behörden hatten auf diese Stücke keinen Zugriff, als die Händler Verhandlungen mit dem Land Preußen aufnahmen.

Die sogenannte Limbach-Kommission war im vergangenen Jahr zu der Auffassung gekommen, dass der Schatz zu einem fairen Preis in das Eigentum des Berliner Kunstgewerbe-Museums, heute Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), gelangt sei. Teilweise war die Kaufsumme mit Sammlungsstücken aus Museumsbesitz beglichen worden.

Anwalt Nicholas M. O. O'Donnell, der die Klage vor dem Gericht in Washington eingereicht hat, hält dagegen: "Die jüdischen Vorbesitzer wurden um ihren Besitz erpresst, während ihr Leben und das Leben ihrer Familien auf dem Spiel standen." Der Verkaufserlös sei auf Sperrkonten gelandet, über die die Händler nicht verfügen konnten.

"Keine neuen Fakten"

Hermann Parzinger, Präsident der SPK, zeigt sich "verwundert" über den Vorstoß der Kläger, hatten doch deren Anwälte nach der Empfehlung der Limbach-Kommission verlauten lassen, den Schiedsspruch zu akzeptieren. "Es ist mir nicht bekannt, dass neue Fakten vorliegen, die eine andere Einschätzung des Falles ergeben würden", so Parzinger. Nun müsse die SPK erst einmal die Anklageschrift prüfen.

Trotz umfangreicher Recherchen ist es bisher nicht gelungen, den Konsortial-Vertrag aufzufinden, der alle Teilhaber des Deals und damit alle möglichen Rechteinhaber benennt. Einer der Mehrheitseigner, der Wiesbadener Juwelier Hermann Netter, spielt bisher keine Rolle. Möglicherweise muss aber das Schicksal jedes einzelnen Konsortial-Mitglieds untersucht werden, um zu klären, ob Teile des Welfenschatzes als Raubkunst zu bewerten sind.

Die Klage gegen die Bundesrepublik und die SPK in Washington wird namentlich von den Erben von Isaak Rosenbaum und Zacharias Hackenbroch betrieben. Vor der Limbach-Kommission waren noch die Erben von Saemy Rosenberg anwaltlich vertreten. Diese Händler hielten einst zusammen nur zehn Prozent des Konsortiums. Nun bleibt es erst einmal abzuwarten, ob das Gericht in Washington sich zuständig erklärt und die Klage zulässt.

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SZ vom 25.02.2015
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