Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Ungesehenes und Verdrängtes

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Mit einer internationalen Faustreihe wird das Filmmuseum mal wieder seiner ehrwürdigen Berufung gerecht, Fundstelle zu sein für Neues oder Verdrängtes, Ungesehenes sichtbar und einsehbar zu machen. Am Sonntag, 25. März, gibt es die Erstaufführung von Werner Fritschs neuem Faustfilm Faust Sonnengesang III

Kolumne von Fritz Göttler

Nun springt auch das Filmmuseum auf den Faust-Express, der seit einigen Wochen durch München braust - seitdem am 23. Februar die Ausstellung Du bist Faust in der Kunsthalle eröffnet wurde - und in allen möglichen Kulturinstitutionen der Stadt Dampf ablässt. Im Filmmuseum gibt es eine internationale Faustreihe, mit klassischen Verfilmungen - Gründgens & Co. - und internationalen Variationen (nicht dabei ist Don Juan, der im Instituto Cervantes als "Fausts spanischer Bruder" analysiert wird, das wäre natürlich eine Retrospektive für sich).

Das Filmmuseum wird dabei mal wieder seiner ehrwürdigen Berufung gerecht, Fundstelle zu sein für Neues oder Verdrängtes, Ungesehenes sichtbar und einsehbar zu machen. Am Sonntag, 25. März, gibt es die Erstaufführung von Werner Fritschs neuem Faustfilm Faust Sonnengesang III (17 Uhr). Das Sehen wird körperlich, sagt der Schriftsteller/Filmemacher von seinen Faustfilmen, der Fluss der Atome wird visualisiert. Seine Methode besteht darin, die Kamera zu handhaben wie einen visuellen Faust-Keil. Der dritte Teil ist ein Roadmovie durch die Weite Amerikas, von Walt Whitman und William Faulkner bis Bob Dylan. Angela Winkler und Corinna Harfouch sind dabei.

Eine amerikanische Variation ist die Story eines Staatsanwalts, der einen Gangster vor Gericht bringen will und dabei stets das Gute will und Böses schafft. Ein Unbekannter, der aus dichtem Nebel auftaucht, hilft ihm dabei, mit dem Beweismaterial für den Gangster zuerst, dann weiter bei einer politischen Karriere, sein Name ist Beal, Nicholas Beal. Alias Nick Beal ist Faust noir aus dem Jahr 1949, von John Farrow, Mias Vater.

Man kennt hierzulande vor allem seinen Klassiker "The Big Clock", in dem Ray Milland Mordverdächtiger wird und auf der Flucht beweisen muss, dass eigentlich sein böser Boss Charles Laughton der Mörder ist. Milland ist nun Nick Beal, der gern verblüfft durch sein Besserwissen (23. März, 18.30 Uhr). Erst vor wenigen Jahren tauchte wieder eine Archivkopie des Verleihs auf. Man sieht, dass fürs Kino natürlich Mephisto stets interessanter war als der vergrübelte Faust, dass im Kino selbst mephistophelisches Potenzial steckt. Mephisto ist sexy, meint der Schriftsteller Albert Ostermaier im Programmheft des Festivals, weil er ein Loser ist, ein Träumer.

Ein Loser und Träumer aus dem schwarzen Ghetto von L. A. ist der junge Stan in Charles Burnetts dynamischem Killer of Sheep (22. bis 25. März, 20.15 Uhr, Werkstattkino). Ebenfalls ein Film (von 1977), der lange nicht zu sehen war, erst mühsam rekonstruiert wurde. Seinen Stan hat Burnett im Aufzug entdeckt, Henry Gayle Sanders. "Ich fand, Henry war der am traurigsten guckende Mensch, den ich je gesehen hatte. Als würde er das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen."

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SZ vom 22.03.2018
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