Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Über den Wolken

Lesezeit: 2 min

Unser Autor spürt die Gemeinsamkeiten zwischen Reinhard Mey und Jesper Munk auf

Von Karl Forster

Es muss im Jahr 1972 gewesen sein. Zumindest, wenn man in alten Tourneelisten des Künstlers stöbert. Ich hatte eine Karte geschenkt bekommen für ein Konzert im mir damals sehr nahen Salzburg, wo ich - eher viertelherzig - Musik studierte am Mozarteum. Ich glaube, das Konzert fand im dortigen großen Saal statt, vielleicht aber auch im Landestheater, ist aber auch egal. Es war die Zeit, in der man Jeans, statt Löcher in sie zu reißen oder zu schneiden, als Transparent benutzte. Bei mir stand drauf: I love Rolling Stones! Mit Micks Zunge natürlich. Bedenkt man dieses Statement, ahnt man, dass eine geschenkte Karte für ein Konzert des deutschen Liedermachers Reinhard Mey einem nicht den Atem raubte.

Es war, ich werde es nie vergessen, ein wunderbarer Abend. Wunderbar deswegen, weil da oben auf der Bühne ein Mann stand, der alleine mit seiner Gitarre uneitel, freundlich und ehrlich seine Lieder sang, Lieder über Alltäglichkeiten, über Liebe, Bier, Abschied oder auch nur über die Gedanken eines sentimentalen Programmierers, wobei man sich rückblickend wundert, dass es damals schon Programmierer gegeben haben muss. Er war, so die Erinnerung, Mensch gewordene Freude am Musizieren. Reinhard Mey steht nun seit mehr als 50 Jahren auf der Bühne, anfangs noch mit Hannes Wader, dem anderen, weitaus politischeren Kopf der deutschen Liedermachergeschichte. Er spiegelt sein Leben und die Zeitläufte dieses Lebens in den Liedern. Liebe, Sehnsucht und Tod, die Lust am Fliegen und am Spott, ein Kampf mit Wort und Ton für Frieden, gegen Spießertum und für Tierschutz ("Gute Kühe kommen in den Himmel"). Am 10. und 11. Oktober kommt Reinhard Mey nun wieder in den Circus Krone. Und wenn man ihm eines neiden darf, dann diese natürliche Musikalität, die man nicht lernen kann, sondern in sich trägt. Man muss sie nur entdecken. Vielleicht über den Wolken.

Wenn man nach weiteren, im Musikantischen Reinhard Mey ähnlich Beschenkten, sucht, kommt man an Jesper Munk nicht vorbei, der am 15. Oktober in der Muffathalle zu Gast ist. Munks Musik ist zwar absolut konträr zu Meys leichter Nachdenklichkeit und deutlich näher bei meiner Jeansaufschrift von damals, aber ganz unabhängig vom Genre ist dieser Künstler eine Ausnahmeerscheinung, für die es höchste Zeit wird, dem Status des "local heroe" zu entwachsen. Einer, dessen erste große Erfolge aus der Anfangszeit von Reinhard Mey stammen, ist der Organist Brian Auger. Dieser mittlerweile auch äußerlich recht schwergewichtige Künstler (er spielt die Hammond am liebsten ohne Leslie, diesen berühmten Schallwellenzerhacker) nimmt mittlerweile auch mit kleineren Bühnen vorlieb, dem Freisinger Lindenkeller (27. Oktober). Dort gastiert eine Woche vorher meine Lieblingscoverband ZEP aus Regensburg. Das Kürzel bedeutet: alles von Led Zeppelin. Auch dieser Name hätte gut auf meine Jeans gepasst. Damals. Und heute.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2017
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