Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Szenen aus der Tiefe

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Orson Welles hat nicht nur das Meisterwerk "Citizen Kane" geschaffen, er war auch ein Meister darin, Filme zu machen, die nie fertig wurden. Man kennt das auch aus seiner eigenen Jugend, als man stürmisch und drängend eine Idee nach der anderen entwickelte

Kolumne von Fritz Göttler

Filme, die nicht fertig werden, sind eigentlich die schönsten. Unsere Fantasie hat da den größten Raum, mitzuspielen und die größte Lust. Besonders effektiv in dieser Kategorie ist Orson Welles, der gleich nach seinem Erstling "Citizen Kane ", 1941, rasante Fertigkeiten entwickelte, Sachen nur noch anzufangen. Man kennt das aus der eigenen Jugend, als man stürmisch und drängend eine Idee nach der anderen entwickelte. Den Film The Deep hat Welles Mitte der Sechziger begonnen, und er kriegt keine Sekunde festen Boden unter die Füße. Ein junges frischverheiratetes Paar schippert an der dalmatinischen Küste und gerät in eine verwirrend fiese Intrige mit einer anderen Yacht. Hoffentlich wird es kein Arthouse-Film, hat Welles gemeint - aber dann sagt der Bösewicht zur jungen Frau plötzlich einen Satz wie "Du hast wunderschöne Füße, das ist selten bei Frauen, besonders bei europäischen. Ich habe mich in der Tat gefragt, ob Gauguin nach Polynesien davonlief, weil er einfach angewidert war von den Füßen der europäischen Frauen." Oja Kodar spielt die junge Frau, die Lebensgefährtin von Orson. "The Deep" wurde nie fertiggestellt, es bleiben nur zwei Arbeitskopien, aus denen Stefan Drössler im Filmmuseum eine Zwischenfassung fertigte, die spielerischer, schwebender, spannend ist als jeder fertige Film. Leider werden am Sonntag, 20. Januar, im Filmmuseum nur Ausschnitte gezeigt, in der Jeanne-Moreau-Reihe: Sie spielt die Frau von Welles. Dazu gibt es einen Kurzfilm von Welles mit Moreau, Une histoire immortelle, nach Tania Blixen, der in den Kinos oft zusammen mit einem kurzen Luis Buñuel lief, "Simon in der Wüste". Von Buñuel mit Moreau läuft am Dienstag Tagebuch einer Kammerzofe.

Ebenfalls am Montag, in der Akademie der Schönen Künste, ein literarischer Meister der Unvollendung, Samuel Beckett. Michael Krüger liest aus dessen frühem Roman Mercier und Camier, den Beckett lange zurückgehalten hatte. Wie viele seiner Werke ist auch dieses filmisch inspiriert, durch das Slapstick-Paar Laurel & Hardy. Ein anarchisches Frauenpaar gibt es von Montag an im Werkstattkino, Jeanne Goupil und Catherine Wagner als Klosterschülerinnen, in Und erlöse uns nicht von dem Bösen, von Joël Séria, den Goupil später geheiratet hat.

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SZ vom 18.01.2019
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