Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Gescheit scheitern

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Gescheiterte Existenzen sind die Lieblinge des Kinos. Welche gefährliche Kraft jemand entwickeln kann, dem sein Leben lang übel mitgespielt wird, zeigt Joaquin Phoenix Oscar-würdig in Todd Phillips' "Joker"

Kolumne von Bernhard Blöchl

Dieser Satz ist mau. Da mir erste Sätze besonders am Herzen liegen, misslingen sie mir mit unliebsamer Regelmäßigkeit. Womöglich zu viel Druck. Trost spendet das neue Werk von Heinrich Steinfest. Es heißt "Gebrauchsanweisung fürs Scheitern" und verführt mit dem viel besseren ersten Satz: "Dieses Buch begann mit einem Scheitern, bevor noch der erste Satz geschrieben war." Der Schriftsteller aus Österreich, der auch seine Romane (bester erster Satz: "Ihre Beine waren zu dick", Platz zwei: "Oha!") mit philosophischen Gedanken zu würzen versteht, nähert sich dem Thema auf die ihm ureigene Art: verschmitzt, kultiviert, selbstironisch, klug - und persönlich. So berichtet er von der Angst vor Lesungen und den damit verbundenen Albträumen. Darin fallen Steinfest bei der Lesung die Zähne aus, "als erbräche sich ein Gerippe"; er steht nackt vor dem Publikum oder hält ein Buch mit leeren Seiten in Händen. All das wird ihm - weiß man's? - wohl eher nicht passieren, wenn er sein Buch in der Black Box vorstellt (28. 11.). Der Abend ist Teil des Literaturfests, das an diesem Mittwoch eröffnet wird und bis 1. Dezember viele Möglichkeiten zum Triumph des Wortes und, vielleicht, zum Scheitern bietet.

Ein Albtraum, der real wurde, ergab sich vor zwei Jahren bei der bayerischen Meisterschaft im Poetry Slam. Da stand der talentierte Yannik Sellmann auf der Bühne des Volkstheaters, im Finale, verzichtete auf einen Spickzettel und hatte Texthänger. Mehrfach. Mehr Glück sei den jungen Poeten der Stadtmeisterschaft beschert (23.11., Volkstheater). Einer, dem das Scheitern des anderen eventuell half, hat kürzlich ein neues Buch veröffentlicht: Alex Burkhard wurde bei dem Finale 2017 bayerischer und später auch deutscher Meister. Seine jüngste Textesammlung "Was ich ihr nicht schreibe" stellt der Autor und Kabarettist in der Schwabinger Autorenbuchhandlung vor (20.11.).

Gescheiterte Existenzen sind die Lieblinge des Kinos. Welche gefährliche Kraft jemand entwickeln kann, dem sein Leben lang übel mitgespielt wird, zeigt Joaquin Phoenix Oscar-würdig in Todd Phillips' Joker. Kein irres Psychogramm des Bösen, sondern ein irres Lustspiel des Guten ist Thomas Schwendemanns Giesinger Gentrifizierungs-Komödie Schmucklos. Zwei erfolglose Typen eröffnen darin eine Kneipe, in der es nur Würschtel und Schnaps gibt. Zum Scheitern verurteilt? Lassen Sie sich überraschen. Zum Beispiel bei der Preview im Rio Filmpalast (17.11., 18 Uhr) oder von 21. November an regulär im Kino. Der Weg dorthin war für Schwendemann steinig. Dass Rückschläge beim Filmemachen dazugehören, lernt der Nachwuchs meist recht früh. Beim Filmschoolfest im Filmmuseum (17. bis 23.11.) zeigen Studierende aus aller Welt, was sie können - wenn man sie lässt und noch nicht in Schubladen presst.

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SZ vom 13.11.2019
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