Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Die Schule des wilden Denkens

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In München wird die Filmgeschichte ordentlich betrieben, wird das Weltkino länderweise abgehakt. Man hatte bereits Türkei und Iran, demnächst gibt es noch Lateinamerika und Italien. Dazwischen kamen Dokfilm und die lustvollen Chaoten von Underdox. Nun ist im Gasteig Griechenland dran

Kolumne von Fritz Göttler

Wie setzt man über, fragt man sich am Freitag, 16. November, um 20 Uhr im Audimax der Hochschule für Fernsehen und Film. Es ist eine Veranstaltung der Münchner Bücherschau mit den Autoren Edward St. Aubyn, Edward Berger und Doris Dörrie, alle drei mehr oder weniger intensiv mit Drehbuchschreiben beschäftigt. Was wohl nicht erkundet wird, ist die Gegenrichtung - wie man vom Film zum Buch kommt. Ein Film wie der neue Godard, Le livre d'image, Das Buch des Bildes, steht nicht auf dem Programm. Das wilde Denken wird hierzulande immer noch zu wenig gepflegt.

Den Umgang mit Bildern und Büchern hat Jean-Luc Godard in den Fünfzigern gelernt, in der legendären Cinémathèque Française in Paris, die war berühmt dafür, dass sie alles mit- und durcheinander zeigte, erst einen deutschen Stummfilm, dann einen amerikanischen Film noir, dann amerikanische Experimente. In München wird Filmgeschichte ordentlicher betrieben, wird das Weltkino länderweise abgehakt. Man hatte bereits Türkei und Iran, demnächst gibt es noch Lateinamerika und Italien. Dazwischen die lustvollen Chaoten von Underdox. Nun ist Griechenland dran. Am Freitag, 16. November, um 18.30 Uhr wird im Carl Amery Saal im Gasteig Success Story von Nikos Perakis gezeigt, der sich um die Ausstattung des jungen deutschen Kinos verdient gemacht hat, zum Beispiel bei "Lina Braake" oder bei der "Blechtrommel". Das satte Goodfeeling nach einer großen Krise schildert er auch in seinem neuesten Film, mit der Liaison zwischen einem Psychiater und einer jungen Schauspielerin. Von einem griechischen Regisseur, Giorgos Lanthimos, wird am Sonntag The Killing of a Sacred Deer gezeigt, eine irisch-britische Produktion von 2017, mit Colin Farrell und Nicole Kidman, aber die Originalstory ist urgriechisch, aus der Antike. Das getötete Tier des Titels ist die Hirschkuh der Göttin Artemis, die der griechische Heerführer Agamemnon tötet - und damit die widrigen Winde entfachte, die den Aufbruch der griechischen Flotte in den Trojakrieg bremsen. Agamemnon muss, zur Sühne, ein Mitglied seiner Familie opfern - Tochter Iphigenie. Der weltpolitische Konflikt fehlt bei Lanthimos, das Vergehen ist hier der Pfusch eines gestressten Starchirurgen bei einer Operation. Im kommenden Januar startet bei uns der neue Lanthimos The Favourite über die weiblichen Kräfte am Hofe der britischen Königin Anne. Der deutsche Untertitel: Intrigen und Irrsinn, das würde auch auf die gesamte griechische Woche passen. Und auf Excalibur von John Boorman, 1981, am Sonntag im Werkstattkino. Eine wilde Version der Artus-Sage, ein Vorvorläufer des Game of Thrones, Helen Mirren ist Morgan le Fay und Liam Neeson Sir Gawain.

Die Münchner Variante, wie Film und Buch ineinander finden, bietet Herbert Achternbusch. An diesem Wochenende zeigt das Filmmuseum noch drei herrliche Filme von und mit ihm, Die Olympiasiegerin, 1983, Die Föhnforscher, 1985, Wohin?, 1988. Der Irrsinn in Bayern kommt vom Föhn, das heißt von den am Ammersee stationierten Herrschingraketen.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2018
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