Süddeutsche Zeitung

Tommy Lee Jones:Der Sturkopf

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Seine Falten und sein strenger Blick machten ihn zu einem ungewöhnlich ungelifteten Hollywoodstar: Der Schauspieler Tommy Lee Jones wird 70 Jahre alt.

Von Susan Vahabzadeh

Wenn es in Hollywood einen gibt, der die Fitnessgurus und Hohepriester ewiger, künstlich erhaltener Jugend das Fürchten lehrt, ist es Tommy Lee Jones. Das zerfurchte Gesicht und der legendäre strenge Blick

sind zentraler Bestandteil seines Erfolgs. Als Tommy Lee Jones in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre von einem leidlich bekannten Schauspieler zu einem der bestbezahlten Hollywoodstars wurde, hatte er einen beträchtlichen Teil dieser Falten schon, er hat genau genommen erst mit ihnen so richtig Karriere gemacht.

In den zwanzig Jahren davor hatte Tommy Lee Jones viel Fernsehen gemacht und sehr erfolgreich Theater gespielt, gelegentlich auch Kino, aber zur ersten Garde gehörte er nicht. "Auf der Flucht / The Fugitive" (1993) änderte das schlagartig. Er jagt als unerbittlicher US-Marshal den flüchtigen Richard Kimble (Harrison Ford). Aber irgendwann kapiert er, dass der Mann zu Unrecht im Knast saß, und damit hatte er seinen besten Rollentypus gefunden: hart, aber gerecht, wenig einladender Gesichtsausdruck. Er bekam dafür den Oscar als bester Nebendarsteller - und im Anschluss jede Menge Hauptrollen. Es gibt sogar ein Meme: schlecht gelaunter Tommy Lee Jones und eine wütende Katze.

Das ist die Rolle, in der Tommy Lee Jones, geboren in Texas, besser ist als irgendwer sonst: als Sturkopf, cool und clever, starrsinnig im Dienst der guten Sache. So ein Typ war der Veteran, den er in Paul Haggis "Im Tal von Elah" (2007) spielte: Er hat seinen Sohn im Irakkrieg im Stich gelassen, und er lässt nichts auf sich beruhen, bis er am Ende die amerikanische Flagge verkehrt herum hisst. Oder der Wirtschaftsboss, der hinwirft, weil sein Konzern nichts mehr baut, in "The Company Men" (2010). Und der Abolitionist Thaddeus Stevens, der Daniel Day-Lewis in "Lincoln" (2012) zusetzt. Und dann ist da natürlich der coolste von allen - Agent K, der die durchgeknallten Aliens unter Kontrolle hält in "Men in Black" (1997). Selbst die Rollen, in denen er sich selbst inszeniert hat, in "The Three Burials of Melquiades Estrada" (2005) und im Western "The Homesman" (2014) sind so. Sogar als Bösewicht oder auf dem Holzweg haben diese Figuren immer ein unbeirrbares Gespür für das Richtige - und das wird dann durchgesetzt, und irgendwie hat das dann doch damit zu tun, dass er selbst ein cooler Typ ist. "The Homesman" hat er auch geschrieben. Ein Western, sagt er selbst, der die Konventionen des Genres auf den Kopf stellt - unter anderem, weil im Zentrum Ungerechtigkeit gegen Frauen auf gesetzlosem Gebiet steht. Ist das, wurde Jones gefragt, ein feministischer Film? Coole Antwort: "Es wäre nicht unfair, ihn so zu nennen." Wenn Tommy Lee Jones eines nicht ist, dann ein typischer Hollywoodianer. Schon weil es dort nicht viele gibt, die mit einem Stipendium in Harvard waren. Thema seiner Abschlussarbeit war übrigens der Katholizismus im Werk der Schriftstellerin Flannery O'Connor. Vielleicht hat die ihm den Weg gewiesen, ihre Geschichten spielen im tiefsten, konservativsten Süden der USA, manche ihrer Figuren mühen sich stoisch daran ab, das zu ändern. So eine Rolle würde Tommy Lee Jones sicher gefallen.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2016
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