Süddeutsche Zeitung

Theater:Machtanspruch

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Christoph Lusers Rückkehr auf die Bühne

Von Egbert Tholl, Salzburg

Vor vielen Jahren, als an den Münchner Kammerspielen Frank Baumbauer Intendant war, inszenierte dort Lars-Ole Walburg Shakespeares "Hamlet". Das war im Jahr 2005, und der Hamlet war Christoph Luser. In diesen Jahren war er dort im Ensemble, mühte sich beispielsweise durch nicht endende, aktionslose Theatergebilde von Laurent Chétouane - unvergessen: "Hermes in der Stadt" mit einem etwa zweistündigen Monolog von Luser. So quälend das war, so sehr brannte sich das ein ins Hirn, wo man es nie mehr rauskriegt, wegen der Zumutung und wegen der Farben in der Stimme von Christoph Luser, durch die immer der Sprachgesang seiner steirischen Heimat wehte.

Irgendwann ging Christoph Luser in die Welt hinaus, spielte am Hamburger Schauspielhaus, in Berlin und Wien, drehte viel, etwa den "Knochenmann" mit Minichmayr, Bierbichler, Hader und machte dann das, was er schon einmal gemacht hatte: Er verschwand. Na ja, nicht ganz, er nahm sich eine Auszeit und lebte mit seiner Frau ein Jahr in Griechenland, ohne Theater, aber mit Natur. Nun ist er wieder zurück. Und spielt im "Hamlet". Aber nicht an den Kammerspielen und nicht die Titelpartie, sondern am Salzburger Landestheater, und zwar in einer Inszenierung von Alexandra Liedtke den Claudius. Eine sehr bewusste Wahl. Nach einem Jahr Absenz wollte Luser seine erste Rückkehrrolle nicht an einem Haus spielen, das grell im Fokus steht. Doch das kommt bald: Ende Dezember hat er am Wiener Burgtheater Premiere in einer Inszenierung von Simon Stone.

Den Singsang hat er privat noch, auf der Bühne ist er kaum mehr zu spüren. Oder liegt es an der Rolle? Claudius, der Hamlets Vater ermordet, Hamlets Mutter heiratet und Hamlet nicht mag, ist hier ein Machtstratege, dem Luser allerdings eine aparte Note an Schuldgefühlen mitgibt. Sein Claudius' Ego ist viel weniger scharf geschnitten als dessen Anzüge. So wie Hamlet den eigenen Wahnsinn als Strategie behauptet, so behauptet hier Claudius eine Souveränität im Machtanspruch, die er im Kern gar nicht hat. Oder anders gesagt: Er spürt die Fäulnis in diesem Kern und überspielt sie. Und natürlich wird es erst dadurch spannend.

Liedtkes Inszenierung ist sehr entschlackt, sechs der Hauptfiguren bleiben übrig, alles zielt zwischen den vielen Türenwänden von Raimund Orfeo Voigt auf die Antagonie Hamlet - Claudius, die immer mehr Drive kriegt, je länger die Aufführung dauert. Der Hamlet selbst ist ein toller Junge, Gregor Schulz. Der ist kein depressiver Grübler, viel mehr schwankt er zwischen Angst, Zauderei und Euphorie, ist dabei wunderbar sympathisch. Am Ende erschießt er Claudius, gewinnt dabei aber nicht. Er erschießt sich selbst, weil der Rest halt Schweigen ist. Und das Publikum jubelt, vor allem über Luser und Schulz, aber auch über den Puppenspieler, der die Theateraufführung spielt, mit der Hamlet Claudius' Schuld entlarven will. Und über Genia Maria Karasek, die mit Kraft genau den Wahnsinn spielt, den man von einer Ophelia kennt.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2018
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