Süddeutsche Zeitung

Theater:Den Rhythmus bestimmt die Kapelle

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Jetzt ist es offiziell: Der Basler Intendant Andreas Beck übernimmt 2019 das Bayerische Staatsschauspiel.

Von Egbert Tholl

Pressekonferenzen, auf denen verkündet wird, was jeder schon weiß, haben einen besonderen Charme. Im bayerischen Kunstministerium in München war am Dienstag eine solche Konferenz anberaumt. Einen Moment lang warf ihr Titel neue Fragen auf: "Pressegespräch zum aktuellen Stand der Intendanzbesetzung des Bayerischen Staatsschauspiels". Doch dann verkündete Kunstminister Spaenle nur, was seit einer Woche bekannt ist: Andreas Beck, seit 2015 Intendant und Schauspieldirektor des Theaters Basel, wird Intendant in München. Sein Vorgänger Martin Kušej geht 2019 ans Wiener Burgtheater - zwei Jahre vor Ablauf seines Vertrags (SZ vom 6. Dezember).

Beck hat das Basler Haus zum spannendsten Stadttheater der Schweiz gemacht, ja zu einem der aufregendsten Häuser im deutschsprachigen Raum. "Wir hoffen auf Großes", meinte denn auch Spaenle und verwies auf die vielen Auszeichnungen, die das Theater Basel in den ersten zwei Jahren unter Beck erhalten hat.

Beck selbst meint auf dem Podium, der Schritt komme eigentlich "ein, eineinhalb Jahre" zu früh, aber: "Den Rhythmus beim Tanzen bestimmt die Kapelle, nicht der Tänzer selbst." Für ihn sei München "ein Weg zurück". Bevor Beck in Stuttgart,Hamburg und am Burgtheater als Dramaturg arbeitete, bevor er 2007 das Schauspielhaus Wien übernahm und 2015 schließlich Basel, war er Dramaturg am Bayerischen Staatsschauspiel. Er kennt das Haus also aus der Ära von Intendant Eberhard Witt, einer tollen, wilden Zeit, in der Elisabeth Schweeger das Marstall-Theater leitete und alles tat, um den traditionalistischen Ruf des Staatsschauspiels zu widerlegen.

Am Schauspielhaus Wien, so erzählt Beck, habe er eine "Galerie der Gegenwart" etabliert, sprich: Das Theater als Uraufführungsbühne definiert. Bereits in Stuttgart, später in Hamburg, hat sich Beck für zeitgenössische Autoren eingesetzt, in Basel tut er das immer noch. Sein Theaterverständnis basiere auf zwei Säulen: auf den Autoren und dem Ensemble. Er neige "zu Treue, aber nicht zu Nibelungentreue. Man muss wissen, mit wem man welche Erfolge errungen hat."

Was in Wien und Basel funktionierte, will Beck in München fortsetzen

Das heißt, so wie er sein Wiener Ensemble praktisch komplett nach Basel mitbrachte, wird er nun Schauspieler von dort nach München mitnehmen. Und wohl auch Regisseure. Im Sinne einer "polyphonen Regiehandschrift" arbeiten in Basel im Sprechtheaterbereich derzeit drei Hausregisseure: Nora Schlocker, Julia Hölscher und der sehr schweizerische Thom Luz. Auf sie setze er auch in München.

Auf die Frage, ob es ihm nicht fad werden könnte, so lange mit denselben Regisseuren zusammenzuarbeiten, meint er nur, dann könne man ihn auch fragen, ob es ihm mit ihm selbst fad werde. Und borgt sich einen Satz von Leander Haußmann: "Theater kann auch Spaß machen." Die am Bayerischen Staatsschauspiel verbleibenden Schauspieler müssten keine Sorge haben, "das Ensemble in Basel ist immer noch überschaubar groß". Das heißt, selbst wenn alle mitkämen, wäre noch Platz.

Daneben skizziert Beck bereits, was inhaltlich von ihm zu erwarten ist: eine Fortsetzung dessen, was er "Zeitgenossenschaft" nennt. Also die Arbeit mit lebenden Autoren, aber auch die Überprüfung von Übersetzungen und älteren dramatischen Werken. Nicht nur Simon Stone hat mit seinen Überschreibungen von Ibsen und Tschechow am Theater Basel gezeigt, wie modern Klassiker oder auch nur deren Themen und Stoffe sein können. Nach München wird Beck Stone kaum holen, 2019 wird der längst in Hollywood sein. Macht nichts, die anderen versprechen genug tolles Theater.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2017
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