Süddeutsche Zeitung

Schauplatz Warschau:Polnischer Straßenkampf

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In Polen haben die Straßendienste zu tun. Denn die nationalpopulistische Regierung und die Opposition kämpfen um die Straßennamen. Kann sein, dass viele der frisch installierten Schilder wieder abgehängt werden müssen.

Von Florian Hassel

Łukasz Puchalski, Chef des Warschauer Straßendienstes, schätzt sich glücklich, Hunderte Straßenschilder aufgehoben zu haben, die seine Männer seit Anfang des Jahres austauschen mussten. Denn die nationalpopulistische Regierung und die Opposition kämpfen in Polens Städten um die Straßennamen. Und wenn eine neue Gerichtsentscheidung Bestand hat, müssen Puchalskis Männer Straßenschilder innerhalb weniger Monate zum dritten Mal austauschen. Dann werden etwa Polens 2010 gestorbener Präsident Lech Kaczyński (und seine Frau Maria) nicht nur in Warschau als Namensgeber wieder abgesetzt.

Die Regierung will Straßennamen aus kommunistischer Zeit aus den Städten verbannen und gleichzeitig das Andenken der Ihren pflegen. Deswegen verabschiedete sie ein entsprechendes, juristisch umstrittenes Gesetz. Die Städte beharrten, die Umbenennung von Straßen sei der polnischen Verfassung und Europas Charta kommunaler Selbstverwaltung zufolge ureigene Selbstverwaltung - und benannten Straßen schleppend oder gar nicht um. Daraufhin verordnete der jeweilige Wojewode, der den Städten vorgesetzte, von der Regierung eingesetzte Leiter einer polnischen Region, zwangsweise neue Namen.

In Polens Hauptstadt versprach der Wojewode der Region Warschau, Zdzisław Sipiera, Polens faktischem Regierungschef Jarosław Kaczyński bei einer Gedenkfeier, die "Allee der Volksarmee" werde dessen Zwillingsbruder Lech zu Ehren bald die "Lech-Kaczyński-Straße" sein. Daraufhin benannte Warschaus Stadtrat die "Volksarmee-Allee" seinerseits eilends in "Trasa Łazienkowska" um, in Anlehnung an den ursprünglich als "Łazienki Królewskie - Königliche Bäder" geplanten größten Park Warschaus. Doch nur Wochen nachdem der Straßendienst Anfang 2018 die Straßenschilder aufhängte, musste er sie Mitte März wieder abnehmen - und durch "Straße Lech Kaczyńskis"-Schilder ersetzen.

Das Verwaltungsgericht der Region Warschau entschied jetzt aber, der Wojewode habe kein Recht, Straßen zu taufen, und hob die Umbenennung auf. Die Wojewoden aber wollen Berufung bei Polens Oberstem Verwaltungsgericht einlegen. In Warschau wies Straßendienstchef Puchalski darauf hin, dass es mit einem Austausch der Schilder nicht getan sei: Schließlich habe der Wojewode die Namen aller umbenannten Straßen auch schon in Dokumenten und Schreiben an alle Anwohner geändert, ohne die Entscheidung der Gerichte abzuwarten.

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Quelle:
SZ vom 30.05.2018
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