Süddeutsche Zeitung

Österreich-Kolumne:Hier spricht das Direktorium!

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Warum sich Helga Rabl-Stadlers Stimme in ihrem letzten Sommer als Präsidentin der Salzburger Festspiele unauslöschlich in die Köpfe eifriger Besucher bohrt.

Kommentar von Egbert Tholl

Natürlich hört man wieder kurz vor Beginn der Vorstellungen in Salzburg Durchsagen. Doch dieses Jahr haben sie eine andere Dringlichkeit.

Das liegt vielleicht auch daran, dass in der Eröffnungspremiere der Festspiele, beim "Jedermann" Mitte Juli, ein Coronafall im Publikum aufgespürt wurde. Der ist insofern bizarr, weil diesem Herrn, angereist aus Wien, mitgeteilt worden war, er solle zu Hause bleiben, weil sein Sohn Corona hat. Nur war das dem Herrn wurscht, er war ja schließlich schon geimpft, und die Premierenkarte wollte er nicht verfallen lassen. Ihm doch egal, ob er den 230 000 Besuchern die Festspiele vermiest, die infolge seines Besuchs nicht nur freiwillig, sondern verpflichtend eine FFP2-Maske tragen müssen.

Deshalb also die dringende Bitte, während der Vorstellungen unbedingt diese im schwülen Salzburger Klima herausfordernde Maske zu tragen. Die Durchsagen sind auf Deutsch und Englisch, die deutsche Version ist weiblich und hat den Tonfall empathischer Fürsorglichkeit, die englische ist männlich, sexy, dunkel, verführerisch.

Hier spricht das Direktorium! Denn die eine Stimme ist die von Intendant Markus Hinterhäuser, die andere die von Helga Rabl-Stadler. Mit dieser Durchsage, die sie selbst nun bis zu drei Mal am Tag anhören muss - "Ich klinge ja wie die Frau Lehrerin" - verabschiedet sich Helga Rabl-Stadler von den Festspielen.

Eine Zeit nach Rabl-Stadler scheint für viele kaum vorstellbar zu sein

26 Jahre war sie deren Präsidentin, jetzt mag sie ihre Ruhe haben. Manche empfehlen sie schon als eine andere Präsidentin, nämlich als die des ganzen Landes, aber sie meint dazu nur, hätte sie eine Präsidentin bleiben wollen, dann hätte sie bei den Festspielen verlängert. Lesen Sie hier ein großes Gespräch aus dem Jahr 2018 mit dem Titel "Ich sagte: Ich kann das" (SZ Plus).

Nicht wenige tragen mit jedem Tag, den die Festspiele fortschreiten, größere Falten im Gesicht, weil eine Zeit nach Rabl-Stadler kaum vorstellbar zu sein scheint. Jedenfalls nicht für jene eifrigen Festspielbesucher, denen sich diesen Sommer Rabl-Stadlers Stimme unauslöschlich in den Kopf bohrt, dass sie diese noch im Schlaf hören. Und daraufhin ohne zu erwachen die Maske aufsetzen und das Handy ausschalten, weil man einem präsidialen Rat einfach Folge zu leisten hat.

Diese Kolumne erscheint am 20. August 2021 auch im Österreich-Newsletter , der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Hier kostenlos anmelden .

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