Süddeutsche Zeitung

Rupert Murdoch und das "Wall Street Journal":"Jetzt gehen Sie besser zur Arbeit"

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Bunte Lektionen: Kaum hat er das Wall Street Journal gekauft, greift Rupert Murdoch durch - und fordert kürzere, politischere Artikel.

Nikolaus Piper

Es war ein nettes Begrüßungsgeschenk der Redaktion. "Wie eine Wette Murdochs danebenging", stand am 13. Dezember über einer prominenten Kommentarspalte im Wall Street Journal. Der Artikel berichtete, wie Rupert Murdoch nach einer Reihe von Fehlentscheidungen seinen Anteil am britischen Medienunternehmen Gemstar-TV-Guide verkaufen musste.

Maliziös rechneten die Autoren nach, dass Murdochs News Corp eine Milliarde Dollar erlöst habe für eine Firma, in die er zuvor insgesamt acht Milliarden investiert hatte. "Natürlich", schloss der Kommentar, werde der Fehlschlag Murdoch "ein paar nützliche Lektionen erteilt" haben. "Das hoffen jedenfalls die Aktionäre von News Corp am Tag vor dem Kauf von Dow Jones."

Tags darauf - und 118 Jahre nach seiner Gründung - ging Dow Jones, die Muttergesellschaft des Wall Street Journal, tatsächlich in den Besitz von Murdochs News Corp über. Deren bisherige Verleger, überwiegend Mitglieder der Familie Bancroft, stimmten bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im Hotel Marriott in Manhattan mit der gar nicht so großen Mehrheit von 60,27 Prozent dem Verkauf an Rupert Murdoch für den stolzen Preis von 5,6 Milliarden Dollar zu.

Manche in der Firma fürchten, mit der ökonomischen könne auch die journalistische Unabhängigkeit verlorengehen. Schließlich ist Murdoch bekannt dafür, ungeniert in das Tagesgeschäft seiner Redakteure einzugreifen. "Ich bin traurig", sagte hinterher Christopher Bancroft, Sprecher eines Familienzweigs. "Es war nicht mein Wunsch, dass die Firma verkauft wird. Aber ich wünsche mir, dass sie unter den neuen Eigentümern Erfolg hat."

Der neue Eigentümer hatte schon vorher gezeigt, woher der Wind weht. Im Juli ließ er sich ein Büro im elften Stock der Dow-Jones-Zentrale im Finanzdistrikt von Manhattan einrichten. Und noch ehe ihm die Firma gehörte, traf er wichtige Personalentscheidungen. Der Chef von Dow Jones, Richard Zannino, verliert seinen Job, wobei man sich um ihn keine Sorgen machen muss.

Nachdem im Mai Murdochs Übernahmeangebot bekannt geworden war, hatte er eine überaus großzügige Abfindungsregelung vereinbart, nach der stehen ihm jetzt 25 Millionen Dollar zu. Sein Nachfolger wird Leslie Hinton, ein alter Haudegen, der seit vierzig Jahren für Murdoch arbeitet. Auch der Herausgeber des Journal, Gordon Crovitz, geht und wird durch den Chefredakteur der Londoner Times, Robert Thomson, ersetzt.

Mit seinen beiden Leutnants Hinton und Thomson erschien Murdoch nach der historischen Hauptversammlung von Dow Jones in der Redaktion des Wall Street Journal zu einer improvisierten Betriebsversammlung. Er verstehe die hohen Werte und Standards der Redaktion, sagte er. "Wenn überhaupt, dann werden Sie erleben, dass wir die Standards noch höher setzen." Dow Jones solle die "überlegene Quelle für Finanzinformation und -kommentare in der Welt" werden. Dann beendete der Eigentümer die Veranstaltung mit der schönen Bemerkung: "Und jetzt gehen Sie besser zur Arbeit und sorgen dafür, dass Ihnen die Konkurrenz Ihre Geschichten nicht wegschnappt."

In der Redaktion ist die Stimmung, nach allem, was nach draußen dringt, bestenfalls gemischt. Viele Redakteure sorgen sich, dass Murdoch mit dem Journal eben doch sein politisches Spiel spielen und Geschäftsinteressen auf den Nachrichtenseiten vertreten könnte. Auf der anderen Seite wissen sie, dass ihr Unternehmen in den Jahren zuvor schlecht geführt wurde, zu niedrige Erträge erwirtschaftet und Chancen verschlafen hat.

Michael Bloombergs Konzern für Finanzinformation konnte nur deshalb so stark werden, weil Dow Jones die Veränderungen auf den Finanzmärkten zu Beginn der achtziger Jahre nicht erkannte und so seine bis dahin dominierende Position aufgab. Murdoch verspricht dagegen hohe Investitionen und ebenso hohe Ziele: Das Wall Street Journal soll die Financial Times als globales Medium für Wirtschaftsinformation schlagen.

Wohin die Reise gehen soll, ist schon zu erkennen. Der hochprofessionelle und an der Wall Street häufig genutzte Internetauftritt des Journals ist deutlich bunter und ein wenig unübersichtlicher geworden. Aufmacher sind immer häufiger politische Artikel ohne direkten Wirtschaftsbezug, was früher fast nie vorkam. Tatsächlich möchte Murdoch auch die gedruckte Zeitung politischer und bunter machen. Sie soll sich mehr zu einer direkten Konkurrenz zur New York Times entwickeln, die Artikel sollen kürzer und nachrichtlicher werden. Murdoch, so hieß es, wolle sogar durchsetzen, dass die Aufmacher so knapp sind, dass sie auf der Titelseite beginnen und dort auch enden, ohne dass der Leser, wie bisher oft, umblättern muss.

Nicht Apple, sondern Abu Dhabi

Ein Mitarbeiter von Dow Jones, der nicht mit Namen genannt werden wollte, berichtete, dass sogar darüber diskutiert wurde, den Bestandteil "Wall Street" aus dem Zeitungstitel zu tilgen, um das Journal für ein breitere Leserschaft attraktiver zu machen. Die Idee sei zwar verworfen worden, aber allein die Tatsache, dass sie aufkam, zeigt, wie Murdoch denkt. Die Chefin der Sektion "Marketplace", in der Firmen- und Produktberichte gedruckt werden, verließ ihren Posten und wurde nicht ersetzt.

Vermutlich wird diese Rubrik im neuen Jahr durch ein anderes Produkt ersetzt. Nicht bestätigt wurde bisher das Gerücht, Murdoch wolle die Inhalte der profitablen Online-Ausgabe des Journal kostenlos ins Netz stellen, um möglichst schnell neue Leser und Anzeigenerlöse zu gewinnen. Die New York Times hatte diesen Schritt vor ein paar Wochen vorgemacht.

Bisher sind Murdoch kaum prominente Journalisten abgesprungen. Eine Ausnahme ist der Finanzexperte Henny Sender, der zur Financial Times wechselte. Angeblich umwirbt Murdoch regelrecht Reporter, von denen er vermutet, sie könnten sich mit Abwanderungsgedanken tragen. Gleichzeitig soll er aggressiv bei anderen Medien nach Spitzenkräften suchen. Derzeit hat das Wall Street Journal 750 Mitarbeiter. Angeblich sollen demnächst 30 bis 40 die Zeitung verlassen, nicht, um Kosten zu senken, sondern um anderen Platz zu machen. So will Murdoch etwa das Washingtoner Büro des Journal massiv ausbauen.

Der Weg zu einem politischeren und bunteren Blatt wird spannend werden. Vielleicht werden die Kollegen vom Journal künftig auch häufiger mit Spott rechnen müssen. Schließlich gehören sie jetzt zu einer Familie mit Murdochs Wirtschaftsfernsehen Fox Business. Der startete im Oktober als betont populäre Konkurrenz zum Marktführer CNBC und ist dabei nicht immer unbedingt professionell.

Wochenlang amüsierte sich die Wall Street über folgende Geschichte: Fox brachte exklusiv die Geschichte, dass die Computerfirma Apple beim Chiphersteller AMD einsteigt. Ein "Experte" erklärte den Zuschauern daraufhin ausführlich, warum dies eine tolle Idee sei und weitreichende Konsequenzen für den Markt haben werde. Einige Minuten später stellte der Sender fest, dass sich jemand verhört hatte: Der neue Investor hieß nicht Apple, sondern Abu Dhabi.

Das Journal dürfte sich so etwas nicht oft leisten.

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SZ vom 28.12.2007
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