Süddeutsche Zeitung

Richard Sapper:Der Erfinder

Lesezeit: 1 min

Der deutsche Designer ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Mühelos überwand er die Gräben zwischen italienischer Nachkriegsmoderne, Postmoderne und Minimalismus.

Von Jörg Häntzschel

Die Lampe sieht aus wie das Miniaturmodell eines gigantischen Spezialkrans. Die Espressomaschine könnte Teil einer fantastischen Riesenmaschine sein mit tausend Kolben, Ventilen und Turbinen. Und der Wasserkessel stammt vermutlich von einer Dampflokomotive, obwohl er schöner pfeift. Erfunden hat sie alle Richard Sapper (erfunden erscheint hier doch passender als entworfen), in dem ihm eigenen Stil, der einen freundlichen Technizismus mit Charme und Verspieltheit verband, und dem nebenbei ganz mühelos immer wieder wichtige Innovationen gelangen. Die "Tizio" etwa, die erwähnte, 1972 aufgelegte Lampe, eröffnete mit ihrer radikal filigranen Konstruktion das Halogenzeitalter - und lieferte leider auch schon die beste Anwendung der neuen Birnchen. Das Think Pad, das er 1992 für IBM entwarf, integrierte mit dem kleine roten Nippel zwischen den Buchstaben erstmals die Funktion der Maus in die Tastatur.

Richard Sappers Name wird oft englisch ausgesprochen, dabei wurde er in München geboren, als Sohn eines impressionistischen Malers gleichen Namens. Nach dem Studium entwarf er zunächst Autos bei Mercedes-Benz. Doch eigentlich begann seine Karriere erst mit dem Umzug nach Mailand. Anfangs war er kurze Zeit im Büro des legendären Architekten Gio Ponti beschäftigt, dann, 1959, machte er sich gemeinsam mit dem Italiener Marco Zanuso selbständig. Es war die große, optimistische Ära des italienischen Designs, Aufträge gab es reichlich. Ihr wichtigster Kunde war die italienische Elektronikfirma Brionvega, für die sie Fernseher und andere Geräte entwarfen, die mit der Konkurrenz aus Japan und Deutschland mithalten sollten. Ihr aufklappbares Würfelradio steht bis heute auf Tausenden von Nachtischen und Küchenschränken - ob als Retro-Stück oder weil es einfach nie kaputt ging. Für Alessi entwarf er den pfeifenden Kessel "Bollitore" und die Espressomaschine "Conan 9090", seine Kunden waren aber auch Fiat, Pirelli und Artemide.

Während andere Designer ihre Konjunktur kommen und gehen sahen, blieben Sappers Entwürfe immer aktuell. Zwischen italienischer Nachkriegsmoderne, Postmoderne und Minimalismus mögen ideologische Gräben liegen, doch Sapper schien allen dreien wie selbstverständlich anzugehören, ohne dass er an seiner Design-Poesie viel ändern musste. Was ihn anleitete, war immer dasselbe Ideal: Der Gegenstand sollte einen Kontakt mit dem Benutzer eingehen, der Benutzer mit ihm interagieren. Am vergangenen Donnerstag ist Sapper im Alter von 83 Jahren in Mailand gestorben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2807086
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.01.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.