Süddeutsche Zeitung

Raubkunst in den USA:Wer will das schon so genau wissen?

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Ein Skandal jagte den anderen - nun verpflichten sich Amerikas Museen zur Deklaration von Raubkunst.

Kia Vahland

Zwei Jahre hat es gedauert, jetzt haben die Vertreter der amerikanischen Museen sich auf eine Selbstverpflichtungserklärung gegen Raubkunst geeinigt. Zwei Jahre, in denen ein Skandal nach dem anderen aufgedeckt wurde. Die größten US-Museen hatten offenbar jahrzehntelang die kleinsten Hemmungen, gestohlene Antiken aus Europa als normale Exponate auszustellen.

Das J.- Paul-Getty- Museum bei Los Angeles förderte mit seinen Ankäufen von Hehlerware im großen Stil Raubgräberei in den Mittelmeerländern; gegen die verantwortliche Kuratorin aus dieser Zeit, Marion True, läuft seit Jahren ein Prozess in Rom.

Doch die Italiener können letztendlich gegen die Diebstähle so wenig ausrichten, dass sie sich schließlich im vergangenen Herbst auf einen Kompromiss mit dem Getty einließen: So gibt das Museum 40 in Italien gestohlene Antiken zurück, darf aber einige Hauptwerke bis 2010 weiterhin zeigen, darunter die so genannte Aphrodite aus Morgantina, für die das Haus einst 18 Millionen Dollar zahlte.

Der Händler von True, Robert Hecht, sowie sein bereits in Italien verurteilter Mittelsmann Giacomo Medici, verkauften ihre geplünderten Antiken auch an das Metropolitan Museum in New York. Das Met restituiert inzwischen ebenfalls Werke, hütet sich aber wie das Getty vor Schuldeingeständnissen. Noch 2007 verhöhnte ein Kurator des Museums die Unesco-Konvention von 1970 zum Schutz antiker Kunst: Im New Yorker ließ er die Amerikaner wissen, Schatzsucherei sei nun einmal menschlich. Für den "Zigeunerinstinkt" von Grabräubern müsse man Verständnis aufbringen.

Nun also gehört auch eine Vertreterin des Metropolitan Museum, Sharon Cott, zu der "Task Force on Cultural Property", welche die neue Selbstverpflichtungserklärung der American Association of Museums (AAM) vorangetrieben hat. Das Dokument strotzt von guten Vorsätzen. Die amerikanischen Museen mögen doch bitte die Herkunft aller archäologischen Kunstwerke recherchieren und die kompletten Provenienzen veröffentlichen.

Kein neues Stück solle mehr angekauft werden, von dem man nicht wisse, wo es herkomme. Anonyme Spenden - eine Hauptquelle für dubiose Exponate in amerikanischen Museen - sollten nur noch angenommen werden, wenn die Eigentümer belegen können, dass alles mit rechten Dingen zuging. Die Museumsleute möchten doch bitte jedes neu erworbene Werk mindestens bis 1970 zurückverfolgen, bis zum Datum der Unesco-Konvention also.

Gute Vorsätze zur Imagepflege

Sicherlich ist so eine Selbstverpflichtung nötiger denn je in Zeiten, in denen auch unschätzbare Werke aus dem Bagdader Nationalmuseum auf dem freien Markt auftauchen. Doch ob die schönen neuen Richtlinien auch Wirkung zeigen, muss sich noch erweisen. Erst einmal dienen sie der Imagepflege.

Orientiert haben sich die Verfasser des Papiers offenbar an dem Vorbild der Recherchen zur NS-Herkunft von Gemälden in Museen. Auf diesem Gebiet sind die amerikanischen Kustoden ihren europäischen, vor allem ihren deutschen Kollegen tatsächlich weit voraus. Deswegen restituieren US-Museen aber noch lange nicht freiwillig Kunstwerke an die Erben jüdischer Sammler, denen die Nazis die Bilder einst stahlen.

So weigert sich das MoMA in New York beharrlich, ein Gemälde von George Grosz dessen Erben zurückzugeben - obwohl der Künstler selbst das Gemälde als gestohlen bezeichnet hatte.

Immerhin: Jenen Kunsthistorikern, die als Museumskuratoren immer auf saubere Ankäufe und ordentliche Erforschung der Besitztümer geachtet haben, könnte die Selbstverpflichtung die Arbeit und das Leben erleichtern. Erinnert sei an den Archäologen Oscar White Muscarella, der sich 1972 in seinem Amt als Antiken-Experte des Metropolitan Museum gegen den Ankauf jener Vase aussprach, die der Maler Euphronios um 515 vor Christi bemalt hatte.

Alles sprach dafür, dass die Vase aus einer bekannten italienischen Raubgrabung stammte. Muscarellas Chef kündigte ihm umgehend und nahm diese Entscheidung erst zurück, als unabhängige universitäre Forscher Sturm liefen.

Die unverbindlichen guten Vorsätze des Dachverbandes mögen ein Schritt in die richtige Richtung sein. Glaubhaft werden sie aber erst, wenn die Museen auch ihren Besuchern offenbaren, was woher kommt. Noch 2007 verzichtete das Met in seiner Neupräsentation auf Tafeln, die ehrlich Auskunft geben über die Provenienzen. So genau sollte es das Publikum dann doch nicht wissen.

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SZ vom 13.08.2008/sst
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