Süddeutsche Zeitung

Pro Sieben: TV Movie:Kleiner Horror für Zwischendurch

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Ausgelutschtes Schockerschischi: Pro Sieben zeigt ein TV-Movie, das vor drei Jahren als modernes Schnipselprogramm fürs Handy-TV geplant war.

Senta Krasser

Das Besondere an dem TV-Movie, den Pro Sieben jetzt in seiner sogenannten Thrill Time ausstrahlt, ist nicht die Inszenierung oder Besetzung. Das Besondere ist seine Entstehungsgeschichte. "Kill your Darling" ist nicht einfach eine zum Zittern schlecht erzählte Story über einen untoten Adeligen, der seine Opfer in den Katakomben Berlins häutet. KYD ist - in der Sprache des Berliner Produzenten Markus Brunnemann, der auch die verfilmte Romy-Schneider-Biographie für die ARD herstellte: "ein plattformübergreifendes, multimediales Ereignis, das es so bisher noch nicht gab".

Na klar. Im Sommer vor drei Jahren war Fernsehen für Mobiltelefone ja so hipp. Die, die immer alles zuerst wissen, kündeten vom Massenphänomen Handy-TV. Erfolg versprachen nach damaliger Meinung nicht bloß News- und Soap-Versionen für das Minidisplay, sondern spezielle, die Formatgröße berücksichtigende fiktionale Programme.

Brunnemanns Phoenix Film, eine Tochter der Ufa (Bertelsmann), experimentierte besonders eifrig. Im August 2006 entstand im Berliner Untergrund "Kill your Darling", "die erste deutsche Handy-Serie", wie es hieß. 30 je dreiminütige Episoden, Horror light für die Zigarettenpause zwischendurch. Doch dann passierte: nichts. Weil die Entwicklung des Taschen-TVs stockte, stoppte Phoenix die Fertigung seiner mobilen Episoden, Mobisodes genannt. Mobilfunkbetreiber, Inhaltelieferanten und Medienpolitiker zerstritten sich über Verbreitungs- und Preismodellen.

"Zu schnell versendet"

Inzwischen hat der technische Fortschritt die Debatten von damals überholt. Das Internet wandert aufs Handy, und die Branche ist vom Geschäftskonzept abgekommen, Inhalte exklusiv und ausschließlich für handgroße mobile Endgeräte herzustellen. Phoenix-Chef Brunnemann sagt: "'Kill your Darling' hätte sich auf dem Handy zu schnell versendet. Es steckte zu viel Geld und Arbeit in dem Projekt, um nur diese Plattform zu nutzen."

"Kill your Darling" wurde an Internetbedürfnissen ausgerichtet, Pro Sieben stieg als Partner ein, investierte noch einmal, und die Phoenix drehte einen komplett neuen Film aus den Stoffteilen. Jetzt kommt KYD als klassisches TV-Movie ins lineare Fernsehen. Auf friendslost.de sind seit September die 180-Sekunden-Teile, aus denen das Thriller-Puzzle besteht, eingestellt. Ihr Download kostet nichts. Dazu bloggt Tim, der jugendliche Held, der seine Freunde Mike, Nina und Jenny nach einer Party vermisst, über die Killerjagd unterm Alexanderplatz: "Ziemlich mies geträumt letzte Nacht ..."

So richtig modern und hipphopp klingt das nicht. Aber auf angeblich 80.000 Besucher der Seite sind Pro Sieben und Phoenix stolz.

Alles total multimedial bei "Kill your Darling"? Aus den Mobisodes, die fast nur aus Close-ups bestanden, Nahaufnahmen der Gesichter, ist kein neues Filmgenre geworden. Sie enden als Werbetrailer der langen Version, die mit ausgelutschtem Schockerschischi (Blitz, Rauch und Sound) vor allem junge Männer ansprechen möchte.

Dass die Phoenix Film bereits an einem zweiten Teil arbeitet, ist erstaunlich fürs werbefinanzierte TV und kann eigentlich nur bedeuten, dass "Kill your Darling 2" billig zu haben ist.

Kill your Darling, ProSieben, 26. Oktober, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2009
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