Süddeutsche Zeitung

Pritzker-Preis für Arata Isozaki:Ein Weiser, der baut wie ein Kind

Lesezeit: 2 min

Silberne Äste als Dachstützen, ein Stadion in Donut-Optik: Stilen blieb Arata Isozaki nie treu. Der Pritzker-Preis für den japanischen Architekten ist überfällig.

Von Till Briegleb

Er war immer einer der selbstverständlichen Kandidaten für die höchste Auszeichnung im Architekturgeschäft, aber seine rund hundert Bauwerke in aller Welt sind oft nicht ohne eine gewisse Befremdlichkeit registriert worden. Denn Arata Isozaki, der jetzt als 46. Baumeister den renommierten Pritzker Preis erhält, ist ein Weiser, der wie ein Kind baut. Der 1931 in der japanischen Hafenstadt Ōita geborene Architekt hat immer versucht, in seiner Bildsprache Kulturen zu verbinden, Brücken zu schlagen, Besonderes aus dem Dialog von Gegensätzen zu gewinnen. Er hat geforscht und philosophiert, bevor er entwarf, beschäftigte sich mit lokalen Material- und Handwerkskulturen, aber auch mit symbolischen Bezugssystemen. Doch für den Uneingeweihten, also den normalen Betrachter, sahen seine gebauten Entwürfe häufig aus, als ginge es Isozaki allein um ein fröhliches Spiel der Formen.

Als etwa in Berlin bei der Star-Architekten-Sammelstelle am Potsdamer Platz Isozakis Volksbank aus der Bauverpackung entlassen wurde, stand dort eine leckere karamellfarbige Doppeltorte mit silbernem Cockpit, die für manchen Kritiker wie ein verspäteter Exzess der Postmoderne erschien. Er gestaltete für Disney in Florida eine Bürostadt, die an eine ausgeschüttete Spielkiste erinnerte, und jüngst in Shanghai einen Kulturkomplex als Höhlensystem. Mal schlängelte er riesige Würste für eine Bibliothek durch die Landschaft, ließ in Katar das Dach eines Kongresszentrums von gigantischen silbernen Ästen stützen, oder er entwarf Luftstädte auf einem Bein, die sich in die Wolken verzweigten.

"Domus, Casa del Hombre", La Coruña, Spanien.

Qatar National Convention Center, Doha, Katar.

Palau Sant Jordi, Barcelona, Spanien.

Philharmonie von Thessaloniki, Griechenland.

City Life, Mailand, Italien.

Aber Isozaki blieb Stilen nicht treu. Sein Sportpalast für die Olympischen Spiele in Barcelona ist ein zeitlos elegantes Kleidungsstück für den besonderen Anlass in Form eines exotischen Hutes. Auch in schlicht modern mag Isozaki bauen, wie sein jüngst fertiggestellter Allianz Tower in Mailand zeigt. Er bleibt ästhetisch ein Wanderer durch die Einflüsse, begeisterungsfähig für neue Ideen, modisch unverkrampft. Das hat vielleicht damit zu tun, dass er als Kind die Tabula rasa der Kriegszerstörung erlebte, die Folgen von Hiroshima und Nagasaki, und somit in dem Gefühl aufwuchs, dass alles neu erfunden werden müsse.

Jedenfalls reiste Isozaki, bevor er mit dem Bauen begann bei einem anderen Pritzker-Preisträger, Kenzō Tange, mehrmals um den Globus, in riesige Städte und versteckte Dörfer, um die Kulturen der Welt zu erleben und zu verstehen. Aus diesen Erfahrungen entwickelte Isozaki ein philosophisches Baukonzept des "Ma", des Dazwischen. Es geht dabei um die Pause zwischen zwei Noten, den Raum zwischen zwei Wänden, das Abwesende, das das Anwesende erst erkennbar macht. Es geht um Sensibilität für Raum und Schönheit. Und der nette Herr Isozaki, der wie ein Weiser lächelt beim Sprechen, sagt: "Meine Freude ist es, immer etwas Anderes zu entwerfen, nicht immer das Gleiche".

Diese kindliche Neugier hat ihn auch mit 87 Jahren nicht verlassen. Und auch nicht die Erinnerung an die Katastrophe: Nach den Verheerungen des letzten Tsunamis im Jahr 2011 in Japan entwarf er zusammen mit dem indisch-britischen Künstler Anish Kapoor eine aufblasbare Konzerthalle, die auf einem Lastwagen transportiert werden kann und den Verzweifelten vor Ort die Kraft der Musik bringt - in einem großen lila Pneu-Donut. Und auch sein riesiges Werk an eigenwilligen Gebäuden wächst weiter an. In immer neuen skurrilen Formen und Farben. Doch mit Geschmacksargumenten kommt man dieser Vielfalt nicht bei.

Die Auszeichnung für Arata Isozaki ist deshalb nicht die Würdigung einer Ästhetik, sondern einer schöpferischen Klugheit, die Richtig und Falsch vermeidet für das Unbestimmte dazwischen. Und die in einer Zeit, wo sich die gläserne Monotonie der Rendite-Moderne über den Globus frisst, vehement für den Charakter des besonderen Orts einsetzt. Es war höchste Zeit, dass Arata Isozaki dafür als einer der Größten geehrt wird.

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SZ vom 06.03.2019
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