Süddeutsche Zeitung

Doku auf Pornhub:Pornhub, jetzt auch ohne Porno

Lesezeit: 2 min

Von Agnes Striegan

Alle wollen ins Streaminggeschäft. Auch Pornhub: Seit vergangener Woche kann man auf der Online-Plattform nicht mehr nur Pornos, sondern erstmals auch eine einstündige Dokumentation sehen. "Shakedown" heißt der Film von Leilah Weinraub; sie porträtiert darin die Betreiberinnen, Tänzerinnen und Gäste eines lesbischen, schwarzen Stripclubs im Los Angeles der Neunziger- und Nullerjahre.

Pornhub, gegründet 2007, gehört in Deutschland und weltweit zu den meistbesuchten Internetseiten. 42 Milliarden Mal wurde die Seite im vergangenen Jahr aufgerufen. Nutzerinnen und Nutzer können dort Amateurpornos und professionell gedrehte Videos gucken; außerdem können sie eigene Filme hochladen. Weil das Portal aber immer wieder kritisiert wird, die eigenen Inhalte nicht genug zu kontrollieren - in einer Petition wurde sogar die komplette Abschaltung verlangt -, kann ein bisschen Imagepolitur mit Filmkunst wohl nicht schaden.

Für die Dokumentation "Shakedown" hat Pornhub eine extra Seite geschaffen, abseits der üblichen Inhalte. In einer Pressemitteilung der Plattform heißt es, man wolle Künstler und Visionäre wie Regisseurin Leilah Weinraub feiern und vielfältige Geschichten menschlicher Lust und Sexualität teilen. "Shakedown" sei ein Stück Geschichte, ein radikaler queerer Film.

Viele haben sich lange nicht als lesbisch gesehen, einige waren selbst homophob

Weinraub sammelte mehr als ein Jahrzehnt lang Material für ihr Werk, mit den Kameras, die sie gerade zur Verfügung hatte, es war die Zeit vor den Smartphones. Sie trug alte Flyer von Aufführungen zusammen und Aufnahmen, die der Club gemacht hatte, um für seine Partyreihe zu werben. Die Partyreihe, nach der die Dokumentation benannt ist: Shakedown.

Entstanden ist ein impressionistischer, ehrlicher und intimer Film über weibliche Sexualität und Selbstbestimmtheit, über Hautfarbe und Geld und Unterdrückung durch die Polizei. Protagonistinnen sind Ronnie-Ron, die Organisatorin von Shakedown, die "Mutter der Szene" Mahogany und zwei Performerinnen: "Shakedown Angels" Egypt und Jazmyne.

"Shakedown" zeigt explizite Tanzaufnahmen und Striptease, gespreizte Beine und Geld, das in Ausschnitte und Tangas gesteckt wird. Die Doku zeigt, wie eine der Tänzerinnen von der Polizei verhaftet wird, weil sie Sex für Geld angeboten haben soll, eine nackte junge Frau in Handschellen. "Shakedown" zeigt aber auch ruhige, persönliche Momente. Der Club war ein Zuhause für die Frauen, sie haben dort zusammen gelacht und getrunken und Geburtstag gefeiert. "Wir sind alles, was wir haben; wir gegen die Welt", sagt eine von ihnen an dem Abend bevor der Club schließen muss.

Und "Shakedown" lässt die Protagonistinnen selbst erzählen: Weinraub hat sich mit ihnen zusammengesetzt und mit ihnen über ihre Jugend, ihre Beziehungen und ihre Erinnerungen an den Club gesprochen. Ein Ergebnis: Viele haben sich lange nicht als lesbisch gesehen, und einige waren früher selbst ziemlich homophob.

Dabei verheimlicht Weinraub nicht, dass sie filmt: Ihre Stimme ist immer wieder zu hören; wie sie die Protagonistinnen bittet, etwas vorzulesen, oder wie sie sich erinnert, nicht auf die Abschiedsparty gegangen zu sein. "Shakedown" hat daher etwas Subjektives, als hätte Weinraub ihre Erinnerungen auf die Leinwände und Bildschirme gebracht.

Leilah Weinraub stammt selbst aus Los Angeles, sie wurde dort 1979 geboren. Die Künstlerin und Modemacherin hat früher bereits mit Pornhub zusammengearbeitet, für eine Kollektion ihrer Modemarke Hood By Air. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Hautfarbe, Geschlecht und Klasse, insbesondere mit den Erfahrungen queerer Menschen und People of Color. Eine Kurzversion von "Shakedown" wurde 2017 auf der Whitney Biennial gezeigt; Premiere feierte der Film auf der Berlinale 2018. Den gesamten März über ist "Shakedown" auf Pornhub gratis zu sehen, danach soll er in Kunsteinrichtungen gespielt werden. Außerdem hat Pornhub einen Chat eingerichtet, in dem Nutzerinnen und Nutzer jeden Samstag Fragen an Regisseurin Leilah Weinraub stellen können. Der Chat soll die Erfahrung vorgaukeln, "den Film gemeinsam zu schauen, während man alleine ist".

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SZ vom 16.03.2020
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