Süddeutsche Zeitung

Popkolumne:Diametrale Gegensätze

Lesezeit: 3 min

Wer kann mit wem: Ed Sheeran tut sich mit Beyoncé zusammen, Brian Eno mit Kevin Shields. Was dabei herauskommt? Ein jeweils völlig stimmiges Duo und die Erkenntnis, dass Äußerlichkeiten doch völlig unwichtig sind.

Von MAX FELLMANN

Irgendwie fällt es immer wieder schwer, Ed Sheeran und die Welt, in der er sich bewegt, zusammenzudenken. Der blasse Kerl mit der Gitarre, der selbst auf den größten Bühnen so wirkt, als würde er gerade für Kleingeld in der Fußgängerzone singen; drumrum der ganze Glamour und Glitzer des Popzirkus, die MTV-Preise und Kostümparaden, der Kosmos der Schönen und Aufregenden. Aber nun, auf geheimnisvolle Art, geht das zusammen. Jetzt hat Ed Sheeran einen Remix seines Hits "Perfect" veröffentlicht - und wer singt da in der größten Selbstverständlichkeit mit? Beyoncé. Wenn man bei Wikipedia "diametraler Gegensatz" nachschlägt, müsste eigentlich ein Foto von den beiden erscheinen. Sie standen schon zusammen auf der Bühne, bizarr genug, musikalisch aber dann doch völlig stimmig: Sheeran zupft bei "Perfect" verhalten die Gitarre und singt mit der Schüchternheit, die seine Fans lieben, dann steigt die Königin ein und singt in perfekter Soul-Koloratur die zweite Strophe. Als wären sie immer schon ein Duo. Akustisch, stilistisch fließt das so leicht ineinander, dass es den äußeren Bruch zwischen den beiden sofort vergessen lässt. Irritierend ist dann nur noch die Botschaft, die das Duett ausgerechnet in der Charts-Welt des Glamours und der großen Inszenierung zu transportieren scheint: Äußerliche Werte sind doch völlig unwichtig. Kaum zu glauben.

Noch eine Zusammenarbeit, ganz andere Geschichte: Brian Eno und Kevin Shields haben einander gefunden. War ja auch überfällig. Im Grunde arbeiten die beiden seit Jahrzehnten auf denselben Punkt zu, nur aus entgegengesetzten Richtungen. Eno hat Stille und vage Klänge so lange verdichtet, bis minimaler Ambient entstand. Shields hat mit "My Bloody Valentine" Lärm und Gitarrendröhnen so lange verdichtet, bis eine Art maximaler Ambient entstand. Klang als Wolke, im einen Fall eher weiß und wattig, im anderen tiefgrau gewittrig. Jetzt haben sie zusammen das Stück "Only Once Away My Son" produziert. Man muss das wohl in erster Linie interessant nennen (Kategorien wie "unterhaltsam" oder "eingängig" drängen sich nicht auf): Neun Minuten lang brummen und dröhnen und kratzen und schleifen geschichtete Geräusche, mal aufdringlich, mal entrückt, kaum je nachlassend, hirnwindungszerbohrend, halluzinogen. Strukturen sind nicht erkennbar, Songansätze sowieso nicht, trotzdem erzeugt der Track eine eigenartige, hypnotisierende Wirkung. Enos Ambient-Musik wird immer wieder als gefällig belächelt, und ja, sie hat oft etwas von einem großen, körperwarmen Wasserbett. Hier aber reicht Kevin Shields dazu eine Decke aus angerosteter Drahtwolle.

Dass Dan Auerbach den verstorbenen Link Wray verehrt, ja verehren muss, liegt eigentlich auf der Hand. Wray hat in den 50er- und 60er-Jahren vieles von dem erfunden, was Jahrzehnte später den Sound von Auerbachs Black Keys prägte, das lärmige Gitarrengedengel, die immer leicht angetrunken torkelnde Rhythmik. Auf Wrays Instrumental "Rumble" können sich sowieso viele einigen, Jimmy Page hat es einen seiner größten Einflüsse genannt, Quentin Tarantino ließ es in "Pulp Fiction" rauf und runter laufen. Jetzt hat Auerbach auf seinem Label Easy Eye Sound ein Stück aus Wrays Nachlass veröffentlicht, das noch nie zu hören war. Es heißt "Son Of Rumble", ist ebenfalls ein Instrumental - und nicht nur im Titel, sondern auch in allem Übrigen der tragikomisch deutliche Versuch, noch mal in die "Rumble"-Kerbe zu hauen. Natürlich, wie immer in solchen Fällen, viel schlechter. Aber klar, deshalb ja auch bisher unveröffentlicht. Für Auerbach tut das nichts zur Sache, er ist einfach glücklich, dass er das Stück veröffentlichen durfte. Ein Akt der Liebe, der Heldenverehrung. Auch schön, oder? Das Branchenblatt Billboard ändert ab 2018 die Zählweise für die Erstellung der amerikanischen Top 100. Klingt nach Kleinkram, kann aber viel bedeuten für den Erfolg von Singles. Gezählt werden schon seit Jahren die drei Bestandteile Verkauf, Radio und Streaming. Ab dem nächsten Jahr sollen die Streams von Bezahl-Plattformen stärker gewichtet werden. Offenbar eine freundliche Geste gegenüber der klassischen Musikindustrie: Charts (nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt) stellen ja in erster Linie den Geschäftserfolg von Musik dar - seit Millionen von Menschen Musik aber per Abo hören oder ganz umsonst, wird die Rolle des klassischen Vertriebs schwieriger. Die Billboard-Umstellung könnte bedeuten, dass die Musik, die es an den großen Abspielplattformen vorbei zum Hit gebracht hat, also auf den kostenlosen Kanälen, jetzt weniger stark gewichtet wird. Aber: Was ist wichtiger für den Erfolg eines Songs - wie viel Geld die Menschen dafür ausgeben oder wie oft sie ihn hören?

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Quelle:
SZ vom 06.12.2017
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