Süddeutsche Zeitung

Pop:Sachte Songs

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Bernhard Eder pflegt die Melancholie

Von Martin Pfnür, München

Das schöne Verb "veredern" entstammt sicheren Quellen zufolge dem österreichischen Sprachgebrauch. Es bezeichnet einen Vorgang der Aneignung, bei dem auch der brünftigste Dunkel-Synth-Pop ("I Feel You" von Depeche Mode), der euphorisierendste Sturm-und-Drang-Brit-Rock ("Rock 'n' Roll Star" von Oasis) und der überproduzierteste Eighties-Plastikpop David Bowies ("Never Let Me Down") einer fein getupften, da akustisch geprägten Melancholie zugeführt wird.

"Remake" und "Remodel" heißen die beiden jüngsten Alben des österreichischen Songwriters Bernhard Eder. Es sind Coveralben - das eine im Studio, das andere live aufgenommen -, deren Titel bereits andeuten, dass es hier um mehr geht als ums bloße Nachspielen großer Lieder. Einen Song in ein völlig neues Gewand zu stecken, ihn so klingen zu lassen, als wäre es einer seiner eigenen, das sei seine Motivation bei der Arbeit an diesen Stücken gewesen, sagt Eder, der sich zuvor mit Werken wie "Post Breakup Coffee" oder "Nonsleeper" vor allem über die Frequenzen des geschmackssicheren alternativen Wiener Radiosenders FM4 einen Namen als Großmelancholiker machte.

Schmerzensmänner wie Elliott Smith oder Nick Drake, dem Eder auf "Remodel" mit einer erst entschleunigten, dann peu à peu die Intensität steigernden Band-Version von "Place To Be" huldigt, stehen hier Pate für eine wunderbar sachte Musik, deren bittersüße Wirkung sich ebenso aus den aufgeräumten Arrangements wie aus der charakteristisch hellen Singstimme Eders speist. So etwas wie Effekthascherei, Pathos oder Bombast wird man bei ihm jedenfalls nie finden - und wenn, dann höchstens im Rahmen einer Inszenierung.

Seit einigen Jahren ist der studierte Tontechniker neben seiner Profession als Songwriter auch Theatermusiker. Mehr zufällig sei er da reingerutscht, als man 2011 für Friedrich Hebbels Trauerspiel "Die Nibelungen" am Wiener Max Reinhardt Seminar noch jemanden für die Musik suchte. Wo Eder Hebbels Texte damals noch kurzerhand in Folk-Songs packte, entsprechen die instrumentalen Klänge, die er zuletzt für Nicolas Charaux' Roman-Adaption von Franz Kafkas "Das Schloss" am Münchner Volkstheater zumeist am Hackbrett entwarf, der atmosphärischen Kühle und der Rätselhaftigkeit des Stoffs auf frappierende Art und Weise. Es sind feine, kristalline, zuweilen lang und zittrig ausklingende Töne, die er auch mal mittels gezielter Verfremdung seines eigenen Studiomaterials gewann.

"Einen Kontrabassflagolett-Ton habe ich etwa durch diverse Subbassfilter gejagt, er wurde so eingesetzt, dass er kaum hörbar war, jedoch den ganzen Raum zum Vibrieren brachte", erzählt Bernhard Eder, der derzeit wieder am Volkstheater an der Musik für eine Inszenierung von Charaux arbeitet. "Das ferne Land" von Jean-Luc Lagarce erzählt von einem Todkranken, der, zurückgekehrt in seinen Heimatort, von seiner Vergangenheit heimgesucht wird. Sechs bis acht Wochen hat Eder Zeit, sich von den Proben inspirieren zu lassen und musikalisch darauf zu reagieren. Eine Art "schwarzes Loch" sei das jedes Mal, das es da zu füllen gelte, sagt er. Als Meister der Melancholie dürfte ihm das dennoch mit Bravour gelingen.

Bernhard Eder , Mittwoch, 7. Februar, 20 Uhr, Kösk, Schrenkstraße 8; Donnerstag, 8. Februar, 20 Uhr, Unhaltbar, Baaderstraße 49.

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SZ vom 07.02.2018
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