Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher:Handwerklich schlecht

Hört sich freundlich an, ist aber reine rhetorische Eskalation.

Von Jens-Christian Rabe

Für den nervösen Selbstdarsteller und die ungeduldige Kosten-Nutzen-Rechnerin, zu denen wir uns im Netz inzwischen alle fortgebildet haben, ist das Gegenteil von gut ja schon eine gute Weile nicht mehr schlecht, sondern grundsätzlich: "gut gemeint". Was wie eine freundliche Beschönigung klingt ist in Wahrheit eher eine rhetorische Eskalation. In der Formulierung versteckt sich eine größere Gemeinheit, als es das Verdikt, dass man etwas schlecht findet, je sein könnte: Herablassung. Der Urteilende maßt sich nicht nur die Beurteilung einer Handlung selbst an, sondern erklärt auch gleich noch süffisant, dass die Handelnden - leider, leider - auch noch an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert sind. Zur Logik der rhetorischen Eskalation unserer Tage gehört allerdings auch, dass einer gönnerhaften Herablassung immer die nächstgrößere folgt. Alle reden jetzt sehr gern davon, dass irgendetwas Politisches - Riesterrente, Rüstungs-Bestellungen, Anti-Corona-Maßnahmen - zwar gut gemeint gewesen, aber "handwerklich schlecht" umgesetzt worden sei, als ob sie auch noch genau wüssten, wie es ganz leicht hätte besser gemacht werden können.

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