Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher:Erwartungsmanagement

Erwartungen wurden einst erfüllt oder unterlaufen. Jens Spahn hat das geändert. Sie werden jetzt gemanagt.

Von Gerhard Matzig

Und wenn sonst nichts bleibt von der Pandemie, die hoffentlich bald mal in die Sonne stürzt, um dort zusammen mit der deutschen Impfbürokratie und den immer gleichen allabendlichen TV-Bildern von Stichen in den Oberarm, Rühren im Rachenraum und allgemeiner Nasenschleimexploration zu verglühen: Das "Erwartungsmanagement" dürfen wir, so die Erwartung, auch in postcoronalen Zeiten weiter erwarten. Es ist vielleicht nicht die eleganteste rhetorische Erfindung von Jens-ein-Stück-weit-Spahn, und er ist auch nicht der einzige erwartbar phrasierende Manager, aber er formuliert es doch am schönsten. So angriffslustig wie zerknirscht meinte er neulich: "Jetzt müssen alle mal aufpassen mit dem Erwartungsmanagement." Alle außer Spahn? Oder spricht Spahn schon über Spahn wie Cäsar über Cäsar sprach?

Das mit dem Erwartungsmanagement, das man erwarten darf in der ersten Polit-Liga, hat Spahn übrigens fast schon ironisch gemeint. Das ist ihm hoch anzurechnen. Ironie: Dass er dafür noch Zeit hat! Zum Beispiel muss er ja auch den einzigen Oberarm, der dem deutschen Fernsehen von der EU als telegenes Impfanschauungsmaterial zur Verfügung gestellt wurde, ständig anders aussehen lassen. Um unsere Erwartung zu managen, es gäbe so etwas wie eine Impfstrategie mit möglichst mehreren, wenn nicht gar Millionen Oberarmen. Das Management ist in diesem Fall nur ein anderes Wort ist für die Manipulation. Erwartungen lassen sich nämlich schüren (falsch), unterlaufen (fast richtig) oder erfüllen (falscher noch als falsch). Man muss sie in Wahrheit managen. Bis sie irgendwann verenden oder in die Sonne stürzen. Mehr ist nicht zu erwarten.

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