Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher:Ich persönlich

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Mit einem einfachen "Ich" kommt man in der Politik heute nicht mehr sehr weit. Man braucht schon ein ganz persönliches Ich.

Von Alex Rühle

Es wurde hier an dieser Stelle bereits schon mehrmals und wiederholt darauf hingewiesen, dass Doppelungen und Tautologien überflüssig und redundant sind, so was wie sprachlicher Schaumstoff und verbales Füllmaterial. Nun muss man natürlich selbstverständlich abgrenzen und unterscheiden zwischen Pleonasmus, Tautologie, Emphase, den Marx Brothers unter den Wiederholungen. Ich persönlich denke und bin der Überzeugung, dass die Wendung "Ich persönlich" oft, ja überwiegend, wenn nicht gar meistens im Sinne der Emphase benutzt wird, etwa wenn Friedrich Merz sagt: "Ich persönlich will meinen Beitrag leisten." Das wirkt sofort und auf der Stelle edler, als wenn er einfach seinen Beitrag leistet und fertig. Das persönliche Beitragleistenwollen ist ein Beitragleisten der Premiumklasse, zeigt es doch Mut zur Courage.

Nun könnte man sagen, Friedrich Merz ist ohnehin und sowieso der Meister und Maestro der emphatischen Emphase, schließlich stammen von ihm auch der Satz und das Diktum: "Wenn alle die Axt schwingen, kann man mit dem Florett nichts ausrichten." Das persönliche Ich ist aber eine generelle Lieblingsfloskel im Berliner Politsprech, ja, man könnte fast oder auch beinahe zu der Auffassung und dem Glauben gelangen, dass nur Menschen in der Politik was werden können, die über ein extrem persönliches Ich verfügen.

Das wohl und wahrscheinlich interessanteste Zitat in diesem Zusammenhang und Kontext lieferte unlängst, genauer gesagt kürzlich Horst Seehofer: "Im Moment habe ich einige Fragen, auch ich persönlich." Der Satz setzt den Politiker und sein Ich in ein eher unheimliches Verhältnis: Als gäbe es einerseits den Politiker, der sich halt routinemäßig Fragen stellt. Aber erst sein Ich hakt wirklich nach. Sonst red' ich nur als Politiker vor mich hin; in dieser ernsten Situation aber mein ich's auch als Mensch so. Ich wurde als Person in ein Amt gewählt, das ich jetzt ausnahmsweise auch mal als Person auskleide. Man könnte zig Belege dafür anführen oder auch zitieren. Aber wir machen jetzt lieber Schluss und aus und gut ist und damit ist dieser Text aber auch wirklich endgültig an sein Ende gekommen und vorbei.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2020
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