Süddeutsche Zeitung

Phrasenmäher: Hzl:Phonetischer Auffahrunfall

Ökonomie ist alles in unserer Zeit. Weshalb auch noch so herzliche Grüße zu einem Konsonantenklumpen verschmelzen.

Alex Rühle

Vokale sind die Seele der Sprache, Konsonanten ihr dürrer, harter Knochenbau. Am Wort Seele selbst kann man das schön zeigen: die drei E, weit ausgespannt zwischen dem stimmhaften S und dem dünnen l bringen das Wort zum Schwingen, ja geben ihm die Flügel, die die Seele nun mal braucht. Ließe man sie weg, es bliebe nichts als SL, was zur Not die Abkürzung einer Mercedesklasse ist, aber sicher nichts Lebendiges.

Nun ist Ökonomie alles in unseren Zeiten: Jobs, Verwaltungen, selbst Mercedesproduktionskosten müssen verschlankt werden. Warum also nicht auch die Grüße: In vielen Kurzmitteilungen verabschieden sich die Leute nicht mehr mit lieben Grüßen oder adjektivischer Herzlichkeit, sondern mit deren konsonantischen Stümmelvarianten: lg, hzl.

Nun werden bei der zeitökonomischen Optimierung der Herzlichkeit zwei Buchstabenpakete eingespart: vorne "er", hinten "ich". So lässt derjenige, der mir schreibt, in der Abschiedsformel, die ja gerade ausdrücken soll, dass er mir mit warmem Herzen zugetan ist, sich und mich weg.

Der Konsonantenklumpen, der übrig bleibt, klingt wie ein phonetischer Auffahrunfall der SL-Klasse. Das Schreiben der fünf fehlenden Buchstaben würde den geübten Simser zwei Sekunden kosten. Aber noch die kleinste Zeiteinheit ist heute schließlich $.

In diesem Sinne: gnz, gnz hzl, lx

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Quelle:
SZ vom 10.11.2010
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