Süddeutsche Zeitung

Paris:Die Statue der Republik

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Am Denkmal auf dem Place de la République bekundeten viele Franzosen nach den Terror-Anschlägen Trauer, Wut und Mut. Nun wird es gereinigt.

Von JOSEPH HANIMANN

Ein grimmiges Gesicht hat der Löwe auf der Place de la République in Paris schon immer gemacht. Vielleicht war der Bronzekoloss zu Füßen des Denkmals der Republik in den letzten Monaten aber einfach traurig, weil er so viele Blumen, Fotos, Flaggen und Beileidsworte um den Hals tragen musste. "Je suis Charlie", "Peace", "Wir werden siegen" und ähnliche Solidaritätsbekundungen haben seit Januar des vorigen Jahres Einheimische und Fremde nach jedem Attentat dem Symboltier für Stolz und Stärke der Republik umgehängt. Und nicht nur ihm. Das ganze bombastische Denkmal aus dem Jahr 1883 mit der triumphierenden Marianne-Figur oben drauf ist auf seinem 15 Meter hohen Sockel beschrieben, vollgehängt und von Kerzenruß geschwärzt. Damit solle nun Schluss sein, entschied die Pariser Stadtregierung, gedrängt von den überdrüssig gewordenen Anwohnern. Seit Beginn der Woche sind Reinigungsteams am Werk.

Seitdem die Stadtbehörde unlängst auf dem Pont des Arts wegen Einsturzgefahr die tonnenschwere Ansammlung von Sicherheitsschlössern von Liebespaaren aus aller Welt entfernen musste, weiß sie, wie heikel solche Operationen sind. So machte sie aus der Reinigungsaktion auf der Place de la République zugleich eine Selbstdarstellungsoperation. Alle Inschriften und Zeugnisse auf dem Denkmal wurden fotografisch erfasst, sortiert und archiviert. Sie würden, so heißt es, auf der Internetseite der Stadt Paris einen festen Platz bekommen. Stein und Bronze auf dem realen Stadtplatz werden ihre alte Würde des Kulissendaseins wiedererlangen, an dem jeder achtlos vorbeihastet. Die Erinnerung an die Terroranschläge und an die Opfer wandert ins digitale Gedächtnis. Manche Pariser sind empört über die Beseitigung der Botschaften, die Mehrheit begrüßt jedoch das. Das Denkmal sei zur freien Spraywand für alles Mögliche geworden, sagen sie.

Der Löwe blickt hinter der Absperrung des Reinigungspersonals immer noch gleich traurig drein und schielt skeptisch hinüber zu einem Baum, dem "Baum der Erinnerung", einer schon zehn Meter hohen Eiche, die im vergangenen Januar, ein Jahr nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" und auf den jüdischen Supermarkt, gepflanzt wurde und die ihm vielleicht etwas von der Gedächtnislast abnehmen wird.

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SZ vom 06.08.2016
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