Süddeutsche Zeitung

Jugendbuch:Schriftstellerfilet, sehr fein.

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Die Revolution um den "Billabongkönig" erschüttert das soziale Gefüge der Tierwelt in Australien.

Von Fritz Göttler

Ich brauche keine Geschichte über mich, erklärt der Billabongkönig ein wenig patzig, ein merkwürdiges Statement in unserer publicitysüchtigen Medienwelt heute. Die lakonische Erklärung des Königs: "Ich bin legendär genug."

Ziemlich ungewöhnlich, dass ein Held seinem Erzähler rüde das Wort abschneidet - und so wird es Matthias Kröner immer wieder ergehen im Verlauf des Buches. Der König ist zwar kein richtiger Held, viel Zeit muss er sehr beengt und reglos verbringen, auf die Hilfe anderer angewiesen, aber er korrigiert und widerspricht doch munter, drängelt und verdrängt. Man kennt solche Ungeduld von regen jugendlichen Zuhörern, die dem Vorleser gern voran sein wollen: das Erzählen als Dialog, sich selbst reflektierend, zwischen Realismus und Imagination. Gern würde der König genervt seinen Erzähler manchmal verspeisen: "Schriftstellerfilet, sehr fein. Geschichtenerzählerpüree, mmhh!"

Es ist eine ziemlich komplizierte und über lange Strecken peinvolle Geschichte, die hier erzählt wird, es geht um Herrschaft und Umsturz, um Fressen und Gefressenwerden, um Verpflichtung und Unabhängigkeit, Größenwahn und Macht. Eine Erzählung, die an amerikanische Gangsterfilme erinnert oder an die Dschungel-Parabeln von Kipling - auf einem anderen Kontinent allerdings: Billabong heißt in Australien bei den Ureinwohnern ein Wasserloch oder der Seitenarm eines Flusses, eine feuchte Stelle in einem Land, das von Wasserknappheit gezeichnet ist. Der Herrscher über eine solche Stelle in der Mangrovenwelt ist der Billabongkönig, sein Name ist Ben.

Auch ein König braucht mal Hilfe, vor allem wenn es um Feinarbeit geht. Ben klemmte beim Verspeisen eines Fisches eine Gräte zwischen den Zähnen fest und sein Zahnfleisch hat sich schmerzlich entzündet. Ben braucht also einen Zahnarzt, und diesen Job erledigen hier die Krokodilwächter, kleine Vögel, die, nach einem symbiotischen Vertrag, einem Krokodil ins geöffnete Maul hüpfen und dieses mit ihren Schnäbeln reinigen - ohne befürchten zu müssen, durchs Zuklappen gefangen und verspeist zu werden. Der König Ben sucht natürlich den besten auf, Kaukasius Grätenzieher II. Ihro Exzellenz von Stolzhausen-Stammberg. Ein Name wie aus dem alten Adelsregister im alten Habsburgerreich, das hätte Ben misstrauisch machen müssen.

Das soziale Gefüge der Mangrovenwelt wird schwer erschüttert.

Kaukasius ist ein Wichtigtuer, mit fiesen Ambitionen, auf die Herrschaft über die Mangrovenwelt. Er schickt Ben mit einem unmoralischen Auftrag los, auf eine mörderische Mission. Und spielt dann Affen und Frösche, Tiger und Seekühe gegeneinander aus. Revolution! Das soziale Gefüge der Mangrovenwelt wird schwer erschüttert. Auch der Erzähler bekommt eine Öko-Botschaft von seinem weisen Krokodilhelden, der viel Geschichte erlebte, Meteoriten, Dinosaurier, Vulkanausbrüche, Tsunamis. "Wir sind Dauerbrenner der Evolution! Ihr macht einfach nur euren Planeten kaputt."

Matthias Kröner: Der Billabongkönig. Mit Illustrationen von Mina Braun. Beltz & Gelberg 2022. 165 Seiten, 15 Euro.

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