Süddeutsche Zeitung

Oskar Roehler:Die Brüste fremder Frauen

Lesezeit: 11 Min.

Der Regisseur Oskar Roehler spricht über die sexuellen Experimente der 68er, die Perücken seiner Mutter und Hitlerbildchen in der Schublade.

Rebecca Casati

Ein Winternachmittag im Berliner Hotel de Rome. Oskar Roehler ist groß, schmal und sorgfältig gekleidet. Seine Stimme und sein Lachen sind laut. Die Bilder in dem Clubzimmer neben der Bar findet er erst sehr schön, dann ist er sich doch nicht mehr sicher. Er fragt den Kellner, wie genau dieses Getränk namens Cola Zero schmeckt. Die Verbindungstür zur Bar soll bitte "Auf keinen Fall!" geschlossen werden. Okay, Diva, denkt man. Stimmt aber gar nicht; er ist sehr umgänglich. Er sieht jünger aus als 50. Hat aber ein bisschen mehr erlebt als andere in dem Alter.

SZ: Herr Roehler, Sie werden in wenigen Tagen 50.

Oskar Roehler:Genauer gesagt am 21. Januar.

SZ:Am selben Tag hat Ihr neuer Film "Lulu und Jimi" Premiere. Er ist bunt, handelt von einer großen Liebe und dem Glück. Dabei bohren Sie sonst in Ihren Filmen penetrant dahin, wo es weh tut.

Roehler: Auf etwas wackligen Beinen habe ich tatsächlich versucht, das Publikum zu erfreuen. Anders als sagen wir mal Til Schweiger, der seit Jahren weiß, wie er sein Publikum kriegt, bin ich immer eher autistisch meinen Weg gegangen.

SZ: Bekannt wurden Sie mit "Die Unberührbare", dem filmischen Portrait Ihrer Mutter Gisela Elsner, das sehr persönlich ist. Und mit ihrem Selbstmord endet.

Roehler: Das ist es ja auch, was die Kritiker mir immer vorwerfen.

SZ: Dass Ihre Filme eine Art Selbsttherapie sind?

Roehler: Ja, genau. Manche finden es gut, andere fragen: Wie kann jemand über so persönliche Dinge so hautnah berichten? Was ist das für eine Nabelschau, was ist das für eine Zumutung . . . Kann ich ehrlich gesagt auch alles vollkommen nachvollziehen. Ich musste einiges abarbeiten. Und in letzter Zeit möchte ich die Leute vor allem erfreuen.

SZ: Werden Sie leichten Herzens 50?

Roehler: Auf jeden Fall, weil ich, wie ich glaube, heute souveräner bin. Außerdem verdichtet sich meine sinnliche Wahrnehmung im Alter. Denkprozesse kommen in Gang, die weit in die Zeit zurückreichen, Räume, die sich Stück für Stück füllen; erst kommen die Gegenstände, dann die Farben, die Jahreszeit... und plötzlich werden konkrete Erinnerungen daraus, an meinen Vater, an Reisen, an irgendwelche komischen Wochenendbesuche bei Freunden meiner Großeltern. Wie ihr Pool im Keller aussah.

SZ: Ihre Großeltern waren sehr bürgerlich. Der eine Großvater war Siemens-Manager, der andere ein Gartenzwergfabrikant. Ihre Eltern hingegen, die Schriftstellerin Gisela Elsner und der Lektor Klaus Roehler, waren so etwas wie das Glamourpaar der 68er. Was bedeutet Ihnen der Begriff: Familie?

Roehler: Etwas, das schon immer von Widersprüchen durchsetzt war. Mir wurde, als ich vier Jahre alt war, in gewisser Weise das Leben gerettet von meinem Großvater väterlicherseits, dem mit den Gartenzwergen, bei dem meine Eltern mich geparkt hatten.

SZ: Das war bei Nürnberg, oder?

Roehler: Ja, im Örtchen Reuth. Mit diesem Großvater habe ich die schönsten Jahre meiner Kindheit verbracht, er ist mit mir singend durch den Wald gelaufen. Gleichzeitig bewahrte er in seiner Schreibtischschublade, unter den Briefmarken, immer noch ein kleines Bild vom Führer auf und las heimlich Will Vespers Hitlergedichte.

SZ: Wo waren Ihre Eltern eigentlich hin?

Roehler: Nach Frankfurt gezogen, in ein Sechziger-Jahre-Hochhaus an der Autobahn.

SZ: War das rebellisch gemeint?

Roehler: Nein, sie hatten einfach überhaupt keine Kohle. Die haben sich aus Kleiderbügeln Schränke gebaut, so pleite waren sie.

SZ: Wie ist Ihnen das damals alles erklärt worden?

Roehler: Gar nicht. Meine Eltern haben sich nicht gerade ein Bein ausgerissen, um mit mir Kontakt zu halten, und irgendwann bin ich allergisch geworden und hab' zu meinen Großeltern gesagt: Passt bloß auf, dass die hier nicht herkommen, ich möchte sie nie mehr sehen. So verbrachte ich zweieinhalb wunderschöne Jahre, Idylle pur. Dann hat mein Vater sich eingebildet, dass er mich doch wieder erziehen muss. Ich musste zu ihm nach Berlin ziehen, die ganzen Schriftsteller kennenlernen. Das war 1967, da ging gerade die Post ab.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Oskar Roehler die 68er hasst.

SZ: Drittes Reich, Wirtschaftswunder, die 68er: An Ihrer Familie könnte man lückenlos die jüngere deutsche Geschichte erzählen.

Roehler: Ja. Wobei meine Eltern im Grunde gar keine echten 68er waren. Meine Mutter war nie wirklich links, sie wurde nur irgendwann von ihrem westdeutschen Verlag fallengelassen, während man sie im Osten und in Russland immer noch gerne las. Mein Vater wollte in diesem Milieu vor allem Frauen abziehen.

SZ: Sie hassen die 68er, oder?

Roehler: Es war bestimmt auch eine coole Zeit, aber ich hatte zu viele Negativbeispiele in meiner Umgebung. 1967, mit sechs, sieben, kam ich zu meinem Vater nach Berlin und war völlig auf mich allein gestellt. Meine Mutter war mit irgendeinem Typen abgehauen, mein Vater feierte irgendwo Partys. Ob ich in die Schule ging oder nicht, war allen völlig egal. Ich wollte es, bin aber immer nach ein, zwei Stunden völlig frustriert nach Hause, weil ich mich nicht konzentrieren konnte, bei meinen ganzen Problemen daheim. Ich hab ziemlich früh angefangen, mit ein paar anderen Jungs Autos zu knacken. Handtaschen zu rauben. Wir hingen auf dem Spielplatz rum, am Rand stand Onkel Herbert. Der zog ein Bein nach und beobachtete die kleinen Mädchen, ihm lief richtig der Geifer aus dem Mund. Die drei Jahre älteren Jungs, denen ich mich angeschlossen hatte, haben ihn irgendwann zusammengeknüppelt, bis er fast verblutet war. Schlimme Sachen. So richtig: Berlin.

SZ:In welchem Stadtteil war das?

Roehler: Friedenau.

SZ: Also da, wo in den sechziger und siebziger Jahren alle gesellschaftskritischen Schriftsteller wohnten, Max Frisch, Günter Grass, Uwe Johnson. . .

Roehler: Bei Grass in der Niedstraße waren wir jedes Wochenende. Er hatte hinten so einen komischen Hinterhof, mit Brandmauern und Kartoffelfeuer, dieses ganze ostpreußische Zeug eben, auf das er so stand.

SZ: Hat Ihr Vater Grass nicht auch lektoriert?

Roehler: Ja.

SZ: Sind Sie nach Oskar Matzerath aus der "Blechtrommel" benannt?

Roehler: Richtig, das Buch erschien im Jahr meiner Geburt.

SZ: Wie haben Sie Grass als Kind empfunden? Hatte er Charisma?

Roehler: Ich fand ihn sehr langweilig. Uwe Johnson hingegen war extrem faszinierend, der hatte eine irre Aura, er war so leise und so ganz da.

SZ: Ihr Vater war ein sehr enger Freund Rudi Dutschkes. Und bewegte sich auch im RAF-Milieu, richtig?

Roehler: Er war sogar irgendwann mal Kassenwart bei der RAF. Mit Gudrun Ensslin war er auch mal ein halbes Jahr zusammen.

SZ: Hat sich irgendjemand von diesen vielen Leuten mit Ihnen beschäftigt?

Roehler: Die haben sich nicht wirklich für Kinder interessiert zu dieser Zeit, in diesem Milieu, nur für sich selbst. Allein ihre ganzen lächerlichen sexuellen Experimente!

SZ: Haben Sie etwas davon mitbekommen?

Roehler: Ja klar. Ich wurde beispielsweise ins Schlafzimmer zitiert, da saßen dann wildfremde Frauen mit kurzen Haaren, die ich gerade noch in Latzhose durch den Flur hatte marschieren sehen, plötzlich nackt auf dem Bett meines Vaters. Der da ebenfalls nackt rumhockte mit seiner Whiskyflasche und mir die schönen Brüste von diesem oder jenem Mädchen zeigen wollte. Wahnsinn, solche bekifften Angelegenheiten jenseits jeder gesellschaftlichen Relevanz!

SZ: Dabei schämt man sich in dem Alter schon, wenn zwei Leute im Fernsehen knutschen.

Roehler: Es ist einem als Kind unglaublich peinlich, das stimmt. Dafür kann man sie schon hassen, die 68er, wenn man das selber erlebt hat. Und auch für ihre Besserwisserei, ihre endlosen Diskussionen und ihre Nichtwahrnehmung außerhalb ihres politischen Wirkens, dieses komische Raster, durch das jeder durchfiel. Wie die auch aussahen, die hatten alle diesen existentialistischen Gesichtsausdruck; wenig Humor, bilde ich mir jedenfalls heute ein. Sie hatten halt wenig zu lachen, mit diesen ganzen Idealen auf den Schultern.

SZ: Haben Sie bei Ihrer Mutter je die Sache mit den Haaren verstanden?

Roehler: Sie trug immer riesige Perücken. Meine Großmutter trug schon welche, die hat sich auch nie ohne gezeigt.

SZ: Wirkte das bedrohlich?

Roehler: Ich fand es ganz schrecklich, muss ich sagen. Sonnenbrille, Perücke - da war überhaupt kein Drankommen mehr. Weil ich so stark die Sinnlichkeit bei meiner Mutter vermisst habe, entwickelte ich früh einen unheimlich scharfen Blick für Frauen, die diese Sinnlichkeit hatten. Zu denen habe ich mich dann auch immer wahnsinnig hingezogen gefühlt. Häufig waren das die Mütter von irgendwelchen Cousinen oder Cousins, die zu Besuch waren. Wenn sie abfuhren, war ich dann immer sehr unglücklich.

SZ: Wenn es gut läuft, hat man irgendwann seine Eltern durchschaut, oder?

Roehler: Hm. Ja, wahrscheinlich. Mit so einer Enttarnung setzen sofort die Enttäuschung und ein Desinteresse ein, aber auch eine Katharsis, die Erkenntnis: Das lag ja gar nicht an mir, das waren ja die...

SZ: Erinnern Sie sich an den Moment, in dem Ihnen das gelang?

Roehler: Bei meiner Mutter habe ich es nie geschafft. Sie war irgendwie zu stark und hatte sich zudem auch noch unglaublich gepanzert. Sie war dermaßen autark und suggestiv, dass man sie in ihrem Redefluss überhaupt nicht mehr unterbrechen konnte. Plötzlich war man nur noch Publikum, sie zog einen rein in ihre Welt, die ja später zu einer Wahnwelt wurde. Sie hat mir stundenlang und ganz plastisch erklärt, dass zu Hause in ihrer Wohnung gerade der Verfassungsschutz alles durchsucht und sogar ihre Kleider auftrennt. Ein Wahnsinn, aber so, wie sie es rüberbrachte, total schlüssig.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, warum Oskar Roehler Sperma von Plastikwänden wischen musste.

SZ: In "Die Unberührbare" gibt es eine Szene, in der die Mutter ihren bereits erwachsenen Sohn, einen absolut verdrucksten, stotternden Sonderling, runterputzt.

Roehler: Lars Rudolph von der Volksbühne spielte den. Genial hat er das gemacht.

SZ: Dass Sie sich selber so skurril abbilden konnten, muss heißen, dass Sie mittlerweile irgendwie drüber stehen, oder?

Roehler: Vielleicht. Das Selbstbewusstsein, Dinge in die Welt zu stellen, hatte ich nicht, solange meine Mutter noch lebte. Als sie starb, war ich noch ein richtiges Bürschchen. In dem Moment, als ich den Anruf von meinem Mitbewohner bekam: Du, es ist was ganz Schlimmes passiert, deine Mutter ist tot - da war ich dann wie erlöst. Anders wäre ich meinen Komplex wohl auch gar nicht losgeworden.

SZ: Wenn man seine Erinnerungen abbildet, relativieren Sie sich dann?

Roehler: Ja, sie verändern sich. Man entdeckt irgendwann eine lustige Seite daran. Wenn man schon kein cooler Hund sein soll, kann man auch als Clown durch die Welt gehen; das zu merken, ist ganz erleichternd. Aber ich musste mich schon sehr lange auf eine bestimmte Art gerieren, um mich von einigen Sachen befreien zu können.

SZ: Würden Sie sich heute als bürgerlich bezeichnen?

Roehler: Ja, schon ganz früh hatte ich bürgerliche Vorstellungen vom Leben, wohl von meinen Großeltern übernommen.

SZ: Was genau ist an Ihnen bürgerlich?

Roehler: Der Rahmen. Die Ordnung, die in jedem Fall erhalten sein muss. Sonst kommt sofort der Nervenzusammenbruch.

SZ: Wie positionieren Sie sich politisch?

Roehler: Ich wüsste nicht, wo ich es tun sollte. Ich bin vor allem erst mal ein freiheitsliebender Mensch. Ich lebe dankbar in einer offenen Gesellschaft, ohne diese ganzen Vorurteile und Tabus, die es bis vor kurzem noch gab. Andererseits bin ich sehr misstrauisch gegenüber dem Überindividualismus, der in unserer Gesellschaft so selbstverständlich ist. Dagegen habe ich schon früh eine Skepsis entwickelt, weil ich gemerkt habe: Wenn man nicht ganz so viel für sich beansprucht, kann man manchmal besser leben.

SZ: Was genau meinen Sie damit?

Roehler: Wenn man eine Beziehung hat, die über viele Jahre dauert, ergeben sich früher oder später Hindernisse. Die überwindet man meiner Meinung nach nicht unbedingt, indem man sich die Frage stellt: Liebe ich den oder die auch noch genügend? Ich finde, dass heute auf die Art Beziehungen viel zu schnell als gescheitert betrachtet werden. Ob man alle paar Monate einen neuen Partner sucht oder bei einem bleibt, ist für mich nicht nur eine Frage von genug Liebe, sondern auch von Haltung. Ich fand es immer wahnsinnig cool, dass meine Großeltern zusammenblieben, obwohl sie, nachdem mein Großvater aus dem Krieg wiedergekommen war, körperlich nicht mehr wirklich zusammenkamen. Die Leute heute sind alle so wahnsinnig überkritisch mit dem anderen, sie gehen mit ihrer Kritik auch immer nach draußen, es behält niemand mehr etwas für sich oder denkt mal einen Moment länger nach. Die Exzentrik, das eigene Ego wird heute immer über alles gestellt.

SZ: Die Selbstentfaltung gilt auch als eine der Errungenschaften von '68.

Roehler: Sie war sogar die Inkarnation.

SZ: Haben Sie selbst nie ichbezogen gelebt?

Roehler: Doch, in den frühen Achtzigern. Das war eh ein schlimmes Jahrzehnt, jedenfalls in Berlin. Mein Leben spielte sich in ein paar Schöneberger Bars ab, wo es nur einsame Seelen gab und wo die Barkeeper irgendwann die wahnsinnigsten Songs von Anita Lane oder von Crime and the City Solution spielten und alle ganz viel Drogen und Alkohol intus hatten. Da war ich absolut einsam.

SZ: Wovon haben Sie gelebt?

Roehler: Man darf es gar nicht laut sagen: Ich habe bestimmt fünf Jahre lang Sozialhilfe bezogen, wenn nicht noch länger. Oder auch mal rumgejobbt, zum Beispiel in einer Peepshow am Bahnhof Zoo, der Staudinger Liveshow neben Burger King.

SZ: Was gab es da für Sie zu tun?

Roehler: Ich habe den Mädels was zu essen besorgt und das Sperma von den Plastikwänden gewaschen, in Handschuhen.

SZ: Warum haben Sie ausgerechnet dort angeheuert?

Roehler: Weil ich mich von diesem Milieu angezogen fühlte. Es war die Alternative für schüchterne Jungs, die nicht wissen, wie sie mit Mädchen reden sollten oder aus anderen Gründen kein Glück in der Liebe haben. So einer war ich von 16 bis 25. Ich bin bei Mädchen immer auf Ablehnung gestoßen, weil ich so neurotisch und unsicher war. Also hatte ich einen Mangel an sexueller Erfahrung, und so geriet ich in die Staudinger Liveshow, um dort die Mädchen anzugucken. Ab da war ich regelmäßig dort, eben immer, wenn ich Geld hatte. Und irgendwann kam ich dann darauf, dass ich eigentlich auch gleich dort arbeiten könnte.

SZ: Wie pragmatisch.

Roehler: Naja; von heute aus gesehen eher sehr merkwürdig. Aber in ganz Berlin herrschte in den Achtzigern eine komische Endzeitstimmung. So, als ob man durch eine amerikanische Industrielandschaft fährt und sich fragt: Wie konnte ich nur so weit weg von allem geraten? Diese Ära hat nichts hinterlassen, sie fehlt heute niemandem; sie hatte keine echte Bedeutung. Schade, da hat man also Jahre in so einer Bedeutungslosigkeit verbracht.

SZ: So ein bisschen wie in "Herr Lehmann"?

Roehler: Ja. Wobei die Szene, in der ich damals verkehrte, wohl noch abgehobener war. Die Staudinger Liveshow wurde dann irgendwann zur kulturellen Institution, Blixa Bargeld saß plötzlich da rum, Nick Cave machte sich in einer Kabine einen Druck. Völlig destruktiv, das Ganze, völlig krank. Erst der Mauerfall hat wieder Energie in die Stadt gepumpt. Ich fing damals auch allmählich an, Karriere zu machen und hatte schon zwei, drei Drehbücher verkauft.

SZ: Gibt es heute in Deutschland Film-Clans? Und nützt es einem als Filmemacher, sich irgendwem anzuschließen?

Roehler: Es gibt die X-Filme, es gibt die Berliner Schule, Teamworx um Nico Hoffmann. Ich bin immer dazwischen rumscharwenzelt. In den Eichinger-Clan kommst du nur, wenn du erfolgreich bist. Bei mir stand das ein bisschen auf der Kippe mit "Elementarteilchen", den ja Eichinger produziert hat. Aber da ich offenbar ein ganz guter Autor bin, juckt es ihm anscheinend immer mal in den Fingern, was gemeinsam zu machen.

SZ: Wie viele Zuschauer hatte denn "Elementarteilchen"?

Roehler: Eine knappe Million.

SZ: Das ist doch gut für Deutschland.

Roehler: Für Deutschland ist es super, für Bernd Eichinger ist es die Untergrenze. Aber die haben schon Gewinn gemacht bei der Constantin, da das Buch ja ein Bestseller war und der Film daher auch ungesehen in alle möglichen Länder verkauft wurde.

SZ: Ihre Mutter wurde irgendwann nicht mehr verlegt. Fürchten Sie sich, mit ihr vor Augen, auch davor, eines Tages künstlerisch ausgeblendet zu werden?

Roehler: Ach, das ist wohl für jeden Künstler das Schlimmste, was passieren kann, weil man ja immer viele andere Überlebensmöglichkeiten für sich ausschließt. Allerdings sehe ich es mittlerweile gelassener, weil ich nicht mehr so jung bin und auch gerne schreibe. Wenn ich mein Geld nicht mehr mit dem Filmemachen verdienen würde, wäre es vielleicht nicht schrecklich schlimm. Aber es wäre ein großer Kummer, draußen zu sein.

Oskar Roehler wurde in Starnberg geboren. Er begann Anfang der achtziger Jahre mit dem Schreiben und Mitte der neunziger Jahre mit dem Filmemachen, beides als Autodidakt. Für "Die Unberührbare" (2000) mit Hannelore Elsner in der Hauptrolle erhielt er den Deutschen Filmpreis in Gold. Immer wieder scheiden sich die Geister an Roehlers Filmen wie "Der alte Affe Angst" (2003) "Agnes und seine Brüder" (2004) oder seiner Adaption von Michel Houellebecques "Elementarteilchen" (2006). Roehler ist seit zehn Jahren mit der Modemacherin Alexandra Fischer verheiratet, das Paar lebt in Berlin.

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Quelle:
SZaW vom 17./18.01.2009/holz
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