Süddeutsche Zeitung

Neue Männermagazine:Hilfe, ich bin ein Mann

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Zwischen Chefetage und Besenkammer: Mitten im Medienkrisenherbst traut sich "Gruner + Jahr" mit gleich drei neuen Herrenheften auf den Markt.

Michael Moorstedt und Marc Felix Serrao

Wenn die Werbeindustrie und der Feminismus ein Kind bekämen, einen Sohn, dann würde er wohl so aussehen: todschick und sterbensunsicher. Todschick sind im Herbst etwa "Kombinationen im Rockabilly-Stil" (Denim, Leder, viel Blau). Unsicher wird es hingegen bei elementaren Dingen. Dingen wie Kaffee. "Du willst einen Scheißkaffee und musst wählen zwischen skimmed, tall, entkoffeiniert und grande. Alles wird heute megaverkompliziert!" Das Zitat stammt von Wotan Wilke Möhring, Schauspieler und laut Gala Men, einem neuen Testballon von Gruner+Jahr, "führender Experte" zum Thema Männlichkeit.

Mitten im zweiten Medienkrisenherbst, in dem vielerorts Redaktionen verschmelzen oder verschwinden und Branchenriese Condé Nast einen Anzeigenverlust von rund einer Milliarde Dollar befürchten muss, mitten in dieser Zeit wagt sich Gruner+Jahr (Stern, Brigitte, Geo) am Donnerstag mit gleich drei neuen Titeln auf den Markt. Das ist zumindest mutig. Gemeinsam ist allen die Zielgruppe: der Mann, beziehungsweise "der neue Mann" (Gala Men). Neben dem maskulinen Ableger der sehr weiblichen People-Zeitschrift Gala starten ein Kochheft namens Beef! und ein Karrieremagazin mit dem seltsamen Titel Business Punk. Alle beginnen mit einer Auflage von 100000 Exemplaren oder mehr, und alle sind Versuchshefte, die erstmal nur einmal erscheinen. Man möchte abwarten, heißt es in Hamburg. Das liegt an der Krise, und es liegt an den Männern.

Versuchung im Vorzimmer

Anders als der Frauenzeitschriftenmarkt, der für fast jede Befindlichkeit ein Blatt bietet, ist der Markt für Herrenhefte sehr überschaubar. In der Allensbacher Werbeträgeranalyse 2009 sind im Bereich Frauenzeitschriften mehr als 50 Titel aufgeführt. Eine Kategorie für Männerzeitschriften gibt es erst gar nicht. Zuletzt wurde viel eingestellt. Player, zum Beispiel: Was 2005 als klügeres Fußball-Heft konzipiert und schnell zum generellen Lifestylemagazin hochgejazzt wurde, konnte sich nur eineinhalb Jahre halten. 2008 erwischte es Matador, 2009 Maxim. Seit die Werbeindustrie in den neunziger Jahren die Metrosexualität erfand, um Männern Sachen anzudrehen, die zuvor nur Frauen brauchten, ist die Frage nach den Lesewünschen schwierig geworden.

Die Konzepte von Business Punk und Beef! entstanden beim Gruner+Jahr-internen Wettbewerb "Grüne Wiese". So nennen Betriebswirte Orte, an dem auch mal herumgesponnen werden darf. Business Punk, von dem bislang nur das Cover bekannt ist, setzt offenbar auf eine Mischung aus Chefetage und Besenkammer. "Kollege Freund", heißt eine Titelgeschichte - "Wie die Scout-24-Gründer trotz Krisen Kumpels blieben". Eine andere trägt den Titel "Sexy Sekretärin - die Versuchung im Vorzimmer". Das Heft wendet sich nach Verlagsangaben an die "Leistungselite der Generation Xing". Xing heißt ein Internetportal, in dem sich Menschen so darstellen, wie es Karrierehefte ihnen empfehlen.

Ähnlich breitbeinig kommt auch Beef! daher, ohne Sekretärinnen, aber mit viel Fleisch. "Das beste Steak der Welt" heißt die Titelgeschichte, daneben glänzt ein saftiges Stück Rind. Chefredakteur Jan Spielhagen beschreibt sein Heft als eines, das "mehr bietet als ,Leichte Nudelrezepte, die Kinder mögen'". Das klingt hübsch arrogant. Die Frage ist nur, wer 9,80 Euro für ein sehr luxuriös bebildertes und zielgruppenaffin herb betextetes Heft (Mozarellazubereitung? "New Balls, please!") ausgibt - in dem es letztlich aber nur ums Essen geht.

Bei Gala Men ist die Rede von "gut betuchten Familienvätern mit Interesse an Mode und Beauty, die gleichzeitig bodenständig und aufgeklärt sind". Das Heft spreche den Mann an, der in sich ruhe, dechiffriert Chefredakteur Peter Lewandowski: "Er ist älter als 30, hat Geld, das er bewusst ausgibt, und er hat eine soziale Verantwortung, die er annimmt - gegenüber seiner Familie und seinen Freunden. Er ist ein Mann, der nicht mehr in klassischen Geschlechterrollen denkt. Gleichzeitig freut sich unser Mann über Beratung, egal worum es geht." Haben Sie das gewollt, Alice Schwarzer? Wirklich?

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Quelle:
SZ vom 12.10.2009
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