Süddeutsche Zeitung

Netz-Depeschen:Syriens virtuelle Krieger

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Der Kampf zwischen Regimegegnern und -befürwortern in Syrien tobt längst auch im Internet: Mit Facebook-Gruppen und spezieller Software attackieren Anhänger des Präsidenten nicht nur die Aufständischen, sondern auch westliche Medien.

Michael Moorstedt

In Kriegszeiten geht es gerade im Internet darum, markige Worte zu finden. Auf der Website der Syrian Electronic Army (SEA) heißt es dementsprechend: "Wir schwören beim allmächtigen Gott, dass wir treu zu Syrien, seinem Volk und seinem Baschar stehen werden. Wir werden die Golanhöhen zurückerobern und unsere Raketen werden jeden treffen, der darüber nachdenkt, unser geliebtes Syrien zu attackieren."

Soziale Netzwerke, Twitter und Blogs sind ohne Zweifel Katalysatoren für die Protestbewegungen in Nordafrika und dem Nahen Osten. Doch auch die Konterrevolution nutzt längst das Internet. Die SEA sperrt regimekritische Websites und verbreitet Propaganda im Internet. In einem gemeinsamen Bericht haben die Open Net Initiative der Harvard University und der Information Warfare Monitor der Universität von Toronto die selbsternannten Cyberkrieger nun einer scharfen Analyse unterzogen. Es sollte herausgefunden werden, was, und vor allem wer hinter den Parolen steckt. Obige Zitate finden sich unter syrian-es.com. Ein Blick in die Datenbank whois.org verrät, wer die Domain registriert hat. Besitzer ist die Syrian Computer Society, eine Organisation, der der jetzige Präsident Baschar al-Assad in den neunziger Jahren vorstand. Zwar behauptet die SEA, nicht mit dem Regime in Verbindung zu stehen. Trotzdem würdigte al-Assad in einer Fernsehansprache vom 20. Juni die "Anstrengungen" der Gruppe und bezeichnete sie als "echte Armee in der virtuellen Realität".

Natürlich muss eine solche Kraft auch auf Facebook vertreten sein. Die syrischen Elektronikkrieger liefern sich dabei ein Wettrennen mit den Administratoren des sozialen Netzwerks. Außderdem wurden bislang mehr als 900 Netzseiten Opfer der marodierenden al-Assad-Anhänger. Am vergangenen Freitag schließlich fielen knapp 40 englische Websites der SEA zum Opfer.

Assads "Hacker" setzen dabei auf eine bewährte Strategie. Die Rechnerkapazität, die sie für ihre Attacken benötigen, wird ausgelagert. Gesinnungsgenossen können sich auf ihrer Website eine Software namens "Bunder Fucker 1.0" auf ihre Rechner laden. Dabei handelt es sich um ein Tool für Denial-of-Service-Attacken (DoS), also dem Lahmlegen von Webseiten durch eine Masse aus sinnlosen Rechenanfragen. Komfortabel vorkonfiguriert, kann man mit dem Programm die Adressen der BBC, Al-Dschasira, Al-Arabiya und Orient-TV attackieren, die nach Meinung der Pro-Assad-Hacker zu wohlwollend über die Protestbewegung berichten.

Ironischerweise haben nun auch regimekritische "Cyberkrieger" die Software für sich entdeckt und deren Code ein wenig geändert: In ihrer Version ist die Website des syrischen Staatsfernsehens das Ziel.

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Quelle:
SZ vom 04.07.2011
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